Trollinger mit Lemberger – das hört sich an wie eine Mundart-Comedy-Talkshow im SWR. Ist es aber nicht, sondern ein Wein. In diesem Fall aus dem Aldi ...uh, ja, Asche über unsere Häupter. Aber das kam so: In der letzten Zeit haben wir an dieser Stelle ja ziemlich viel guten Wein probiert und die günstigen Tropfen ein wenig aus den Augen verloren. Nunja, was günstig ist, liegt freilich im Auge der Betrachtenden, aber es gibt nun mal viele Menschen, die sich Weine für über 5 Euro aus verschiedenen Gründen nicht leisten können. Klar, über das Für und Wider günstiger Weine, deren Produktionsbedingungen und Umweltauswirkungen, kann und sollte natürlich gesprochen werden… was wir, ähem, mal an anderer Stelle tun werden bzw. auch schon getan haben. Ebenfalls klar: Wenn man im Supermarkt Wein kauft – gerade günstigeren Wein – bekommt man nichts mit eigenem Charakter, sondern massenkompatible Produkte, die nicht anecken. Das muss nicht schlecht sein und kommt auf den eigenen Geschmack an. Aber so gesehen ist das ein „fairer“ Wein, der i.d.R. genauso schmeckt bzw. das liefert, was man erwartet
Aber zurück zum Aldi Wein. Als wir uns kürzlich zu Deutschlands größtem Weinhändler verirrt haben, der ja auch zahlreiche andere Waren im Programm hat, dachten wir uns, wir nehmen mal einen Weißwein mit. Sommer und so. Also ins Regal geschaut und gleich die große Ernüchterung: aldi Weine dort (Riesen-Gag), zumindest die Weißweine, waren eher so mäßig attraktiv. Zum einen ist die Auswahl, sagen wir mal: übersichtlich, zum anderen wirken die meisten Weine genauso, wie es das Preisschild vermittelt. Es gab tatsächlich keinen Weißwein über 2,80 Euro, wenn ich mich recht entsinne (bei Rotweinen sieht es nochmal anders aus). Also Vorhaben kurzerhand geändert und ins Rotweinregal geschielt. Und da ist der Trollinger mit Lemberger ins Auge gefallen.
Trollinger mit Lemberger bei Aldi Nord und Aldi Süd
Gut, erstmal nichts Besonderes. Aber tatsächlich konnten wir uns kaum noch daran erinnern, das letzte Mal einen Trollinger im Glas zu haben. Und dann liest man ja gelegentlich, dass die Rebsorte Trollinger bzw. der daraus gewonnene Wein außerhalb Baden-Württembergs eigentliche keine Existenzberechtigung habe… (weil der Wein belanglos sein soll – gibt wirklich einige Leute, die das behaupten). Also dachten wir, ein Besuch bei Aldi ist doch die Gelegenheit, mal wieder einen Trollinger zu probieren und daraus ein weiteres wackeliges Pauschalurteil abzuleiten. Gesagt getan.
Weiteres uninteressantes Detail: wir haben eine Fernweinprobe durchgeführt und waren folglich zuvor bei Aldi Nord und Süd shoppen. Bekannterweise haben Aldi Nord und Aldi Süd ein mehr oder weniger abweichendes Sortiment. Während in vielen Fällen die Differenz in unterschiedlich gestalteten Etiketten liegt (freilich verbergen sich so oder so teils viele Lieferanten hinter einem Produkt), ist das Weinsortiment bei Aldi Süd und Nord tatsächlich unterschiedlich: im Norden stehen offensichtlich weniger Weine im Regal.
Aber den Trollinger mit Lemberger gibt’s in beiden Discountern: bei Aldi Nord mit 3 Löwen und bei Aldi Süd mit 2 Hirschen auf dem Etikett. Aha. Wollen wir jetzt gar nicht wissen, was das auf sich hat. Aber vergleichen kann man die Weine bestimmt trotzdem, da sie sicher auf einen Einheitsgeschmack getrimmt sind. Entsprechend waren unsere Geschmackserlebnisse auch nahezu identisch.
Eine süße Versuchung? Trollinger mit Lemberger feinherb 2013
Trocken gibt’s dieses Rotwein-Cuvée dort gar nicht. Dafür aber mit einem Überzug, wie man ihn von Korken kennt, nur dass sich in diesem Fall ein Schraubverschluss darunter verbirgt. So auch noch nicht gesehen. Mit 12 Volumenprozent wartet ein mittelschwerer Rotwein auf uns, der farblich recht dünn daher kommt. Dafür trägt er in puncto Duft recht dick auf: Der Trollinger mit Lemberger aus dem Aldi riecht ziemlich süß, allerdings nicht klebrig. Insgesamt ein recht einfacher Geruch, aber durchaus angenehm und fast schon lecker – direkt am Flaschenhals riechts ziemlich nach Erdbeere, im Glas wird die Fruchtnote jedoch von einer zwar nicht stechenden, aber dichten Alkoholwolke überlagert. Der erste Schluck reiht sich in die ersten Einschätzungen ein: keine wahrnehmbare Säure, weich, süß, fruchtig, fast schon dickflüssig und ölig, hat eine wirklich interessante Konsistenz.
Backpflaume trifft Erdbeere umschreibt wohl am ehesten den Geschmack. Und den Alkohol nicht zu vergessen, der sich vom Kehlkopf ausgehend wieder seinen Weg zurück in den Mundraum erkämpft, sich dort langsam ausbreitet und infolge alle anderen Aromen überlagert. Dieser feinherbe Rotwein ist wie ein süßer Kompott mit nem ordentlichen Schuss. Mehr fällt uns zu diesem Trollinger mit Lemberger nicht ein. Ach doch: belegte Zunge, aber nicht Adstringenz-geschuldet, behaupten wir mal. Insgesamt ein einfacher, aber durchaus gefälliger bzw. trinkbarer Wein. Muss man schon zugeben. Lustigerweise hatten wir beide das Gefühl, dass das Trollinger-Cuvée zu warm ist – obwohl es die richtige Trinktemperatur hatte. Womöglich schmeckt er leicht gekühlt besser? Vielleicht auch nicht.
Trollinger mit Lemberger: Das Weinwonne-Fazit
Können uns vorstellen, dass dieser Wein – Feinschmecker*innen und geschulte Zungen ausgenommen – schon vielen Leuten schmeckt. Durch die dominante Alkoholnote und die ölige Konsistenz wirkt dieser Wein fast schon likörig. Für eine Party mit geringem Weinbudget oder auch eine Bowle dürfte sich dieser Rotwein wohl eignen. Ein zweites Glas haben wir dennoch nicht getrunken, der Rest wurde verkocht.
Und noch was: Wir hatten das erste Glas noch nicht gänzlich geleert, da beschlichen uns beide schon die ersten Kopfschmerzbefürchtungen… ob das nun am süßen Wein lag oder unbewusst am Preis – keine Ahnung. Körperlose Stimmen flüsterten uns: „Trink die Flasche aus und du wirst es bereuen…“ oha, das weckte böse Erinnerungen an juvenil-desaströse Weinerlebnisse. Na denn zum Wohl!
Mit 3,69 € die Literflasche liegt der Aldi-Trollinger übrigens fast einen Euro über dem in Deutschland durchschnittlich in Supermärkten erzielten Literpreis für Wein.
Schmeckt sehr gut