„Wann fährt der nächste Zug nach Paris?“, „Ob meine Liebsten mich erwarten?“, „Wo ist hier das Klo?“ … Die Reisenden jedenfalls sind wohl schon lange dort angekommen, wo sie hinwollten. Passenderweise ist es ein Motiv aus vergangenen Tagen, welches das geschäftige und zuweilen anrührige Treiben auf einem alten französischen Provinzbahnhof andeutet, das den Rotwein The Station, Old Vines 2014, ziert. Nicht nur, weil die Grenache- und Syrah-Reben, aus denen dieser französische Wein aus dem Anbaugebiet Languedoc-Roussillon gewonnen wird, über 80 Jahre alt sind. Auch bei der Produktionsstätte handelt es sich um eine quasi historische Stätte: den alten Lokschuppen des ehemaligen Bahnhofs von Tuchan, der bereits 1947 seinen Betrieb einstellte.
The Station: ein kosmopolitischer Wein
Dass der Sprung bzw. die TGV-Fahrt in die Moderne geglückt ist, zeigt alleine schon die Zusammensetzung der an der Herstellung dieses Rotweins Beteiligten: The Station ist ein gemeinsames Projekt der in Südfrankreich lebenden britischen Winzerin Katie Jones (Domaine Jones) und des Weinhändlers Björn Steinemann (Invisus Wines) – und der Kellermeister stammt natürlich aus Australien. Andererseits: An Bahnhöfen haben sich schon immer die unterschiedlichsten Wege und Herkünfte gekreuzt…
Das Ziel war, einen für das Languedoc charakteristischen Wein zu kreieren. Die Trauben stammen aus nach den Grundsätzen des organischen Landbaus bewirtschafteten Weinbergen rund um Tuchan/Maury und wurden von Hand gelesen. Nach der Lese sollen sie in gekühlten Containern bei 6 – 8 °C zwischengelagert und im Anschluss nochmals per Hand sortiert worden sein, um eine möglichst hohe Qualität sicher zu stellen.
Die Vinifizierung (der Prozess der Weinherstellung) erfolgte bei niedrigen Temperaturen und wurde von einer späteren malolaktischen Gärung (biologischer Säureabbau) abgerundet. Abgefüllt wurde das Cuvée nach längerer Kältestabilisierung Ende August 2015. So, genug Weinlatein… kommen wir nun zum interessanten Part: dem Genussfaktor des Stationsweins!
The Station 2014: Einsteigen, bitte!
Nur 4.000 Flaschen wurden vom The Station 2014 produziert…und eine davon haben wir vom geschätzten RHC-Weinkontor, dem Weinhandel unseres Vertrauens, zugeschickt bekommen und kürzlich geleert, freilich in größerer Runde. Das Etikett kam bereits gut an – mehrfach wurden Parallelen zur Fernsehserie Mad Men gezogen. Und auch das Bouquet dieses Rotwein-Cuvées aus je 50 Prozent Syrah und Grenache provozierte eine wohlwollende und beschwingte Mimik: Aromen von dunklen Beeren und Kirschen („cremiger Beereneintopf“), Lakritze sowie Vanille steigen in die Nase – präsent, aber vornehm zurückhaltend. Auch würzige und fleischige Noten sind mit von der Partie und harmonieren gut mit den übrigen. Alles in allem riecht der 2014er The Station ziemlich lecker.
Geschmacklich setzt sich der bereits eingeschlagene Weg fort, jedoch nicht ganz so wie erwartet, die meisten waren beim ersten Schluck etwas überrascht. The Station Old Vines 2014 macht mit seinen 14 Umdrehungen im allerersten Moment einen glatten, milden, fast schon schlanken Eindruck – obwohl er es in sich hat. Das fruchtige, fast schon bittersüße Kirsch- und Beerenaroma wird eingerahmt von sanften Tanninen und weihnachtlichen Gewürzen sowie einem Hauch von Weihrauch. Ein unkonventioneller Wein … aber so einfach will er es uns dann doch nicht machen: die säuerliche Komponente sowie eine würzige Schärfe (im absolut moderaten Rahmen) verleihen ihm leichte Ecken und Kanten. Der lange, angenehme Abgang bildet einen versöhnlichen Abschluss.
Den Fahrschein, bitte: das Weinwonne-Fazit
Der The Station 2014 ist ein schöner Wein, der vom Etikett bis zum Geschmack Eigenständigkeit beansprucht. Nicht dick und fett, sondern fruchtig-würzig, ist er ein reizvoller Solodrink. Ich kann ihn mir auch gut zu einer Käseplatte vorstellen (jaja, ich kenne die Einwände … aber wegen den milden Tanninen und der gezügelten Säure passts trotzdem, würd ich sagen). Aber dieser französische Rotwein ist mit seinem eigenständigen Profil sicher nicht everybody’s darling, muss man schon mögen. Ich und die meisten aus unserer Runde haben ihn gemocht! Kosten tut der Spaß knapp 13 Euro.
Übrigens: Wir verlosen eine Flasche The Station bei unserem nächsten Weinrätsel…so watch out!
Abschließend noch das Übliche: Wir haben den Wein The Station vom RHC-Weinkontor zum Probieren und Beschreiben zugeschickt bekommen. Weder ist Geld geflossen, noch bestehen irgendwelche Absprachen, die ein günstiges Abschneiden des Weins in unserem Weinmagazin zum Inhalt haben.