Die großen Bio-Verbände und der Bio-Wein

Ganz so reißerisch, wie der Untertitel es vermuten lässt, ist dieser Bericht leider nicht. Aber hier findet ihr erstmals (sagen wir jetzt mal so) eine Übersicht über die großen weinrelevanten Bio-Verbände in Deutschland.  Bioland, Demeter & Co – die Bio-Verbände sind definitiv raus aus der Nische und mittlerweile auch bei Nicht-Bio-Menschen bekannt.

Tja, Bio ist en vogue, wie man in Spanien gerne sagt. Die Verbände beweisen indes, dass auch schon vor der Trendwerdung viele Menschen an die Bio-Idee glaubten. Und mit Ecovin – Bundesverband Ökologischer Weinbau e.V. gibt es auch einen schon lange etablierten Bio-Verband ausschließlich für Wein. Zudem reicht der Einfluss der Bio-Idee vielfach in Bereiche, die kein Bio im Namen tragen, wie folgendes Beispiel zeigt: Bereits 25 Prozent der VDP-Mitglieder*innen sollen mittlerweile bio-zertifiziert sein (VDP ist der etwas exklusive Verband Deutscher Prädikatsweingüter).Seit 2012 existiert eine EU-weite Verordnung zu „ökologischem Wein“, die nicht nur den Anbau, sondern auch die Weinherstellung im Keller regelt.

Seit der Ernte 2012 dürfen sich Winzer*innen auch „ökologischer Wein“ oder „Biowein“ sowie das EU-Bio-Logo auf die Etiketten drucken, so sie denn zertifiziert wurden – zuvor war lediglich die Angabe „Wein aus ökologisch erzeugten Trauben“ gestattet, Bio ist schließlich ein geschützter Begriff. Wer auch Gewissheit haben wollte, ob der kellertechnische Ausbau des Weins ebenfalls ökologischen Kriterien folgt, musste zuvor zu Weinen greifen, die von Bio-Verbänden zertifiziert wurden, die auch die Vorgänge im dunklen Keller für ihre Mitglieder*innen festlegten.

Aber auch heute gibt es noch Unklarheiten: Mit dem EU-Bio-Logo und den anderen Logos der einzelnen Verbände ist eine ziemliche Vielfalt auf dem Etikett angesagt, die manch eine*n fragen lässt, wo denn da jetzt die Unterschiede sind. Außer, dass die Bio-Verbände über die in der EU-Verordnung festgelegten Richtlinien hinausgehen und Demeter sich an anthroposophischen Prinzipien orientiert, wussten wir auch nicht viel. Also haben wir einfach mal nachgefragt…

Biowein? Yeeesss, gimme more…

Und die Bio-Verbände haben Weinwonne! freundlicherweise bereitwillig Auskunft gegeben. Zunächst aber noch einführend ein paar allgemeine Eckdaten zu Bio-Wein. Um Bio-Wein als solchen deklarieren zu dürfen, muss ein Weingut die EU-Richtlinien zu ökologischem Wein befolgen und entsprechend zertifiziert werden. Es gilt eine Übergangszeit von drei Jahren für die Umstellung vom konventionellen Weinbau auf Bio-Weinbau. Die EU-Zertifizierung ist auch die Grundvoraussetzung, um bei einem Bio-Verband die Mitgliedschaft zu beantragen und eines der Bio-Verbandslogos zu erhalten.

Allerdings sind die Verbandsrichtlinien „strenger“ bzw. weitgehender – die EU-Verordnung war schließlich ein Kompromiss, der im gesamten jedoch von den Bio-Verbänden begrüßt wurde, die sich bei der Erstellung der Richtlinien auf unterschiedlichen Ebenen auch beteiligt haben. Eine Parallelproduktion, also die Herstellung von biologischen und konventionellen Weinen in einem Betrieb, ist nicht vereinbar mit einer Verbandsmitgliedschaft. Damit soll eine durchgehend hohe Bio-Qualität sichergestellt werden.

Biowein-Lobbyarbeit

Grundsätzlich tauschen sich die Bio-Verbände nach eigenen Aussagen untereinander über wichtige Neuerungen, bspw. in der Kellerwirtschaft, aus. Kooperation und Absprachen gibt es auch in Bezug auf die Arbeit in nationalen und internationalen Dachverbänden, bspw. IFOAM (Internationale Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen). Gerade auf europäischer Ebene ist die Verbandsarbeit sehr wichtig, ein einzelner, nationaler Verband wird da kaum gehört.

Detaillierte Absprachen bei den Richtlinien und Zertifizierungsstandards der einzelnen Bio-Verbände gibt es nach Verbandsaussagen hingegen nicht, das regeln alle für sich. Bei wesentlichen Bereichen habe man sich aber doch abgesprochen, was sich darin bemerkbar macht, dass es kaum signifikante Unterschiede hinsichtlich der Richtlinien gibt – sie sind nahezu deckungsgleich. Eine Ausnahme macht da Demeter, die weitergehende Richtlinien besitzen, die jedoch weniger mit ökologischen Qualitätskriterien als mit anthroposophischen Grundannahmen und Überzeugungen einhergehen – aber dazu unten mehr. Grundsätzlich gebe es aber kein Abgrenzungsbedürfnis, so die Verbände, eher im Gegenteil.

In Deutschland gibt es aktuell über 7.500 ha Rebfläche, die nach ökologischen Prinzipien zur Weinherstellung bewirtschaftet wird. Das sind mehr als 7,5 Prozent der gesamten Rebfläche, was eine Verdoppelung gegenüber 2007 bedeutet. Rund die Hälfte der Bio-Weingüter sollen sich einem Bio-Verband angeschlossen haben, der anderen Hälfte genügt das EU-Bio-Logo – eine Verbandsmitgliedschaft kostet schließlich Geld und bedeutet ein Mehr an bürokratischem Aufwand. Die meisten in Verbänden organisierten Bio-Winzer*innen dürften jedoch das gute Image sowie die (Beratungs-)Arbeit der Verbände schätzen und tragen daher gerne den Mehraufwand. Bei all den Zahlen fallen übrigens die Winzer*innen heraus, die komplett oder weitgehend ökologisch arbeiten, aber aus verschiedenen Gründen auf eine Zertifizierung verzichten. Davon soll es gar nicht so wenige geben.

Insgesamt soll es in Europa rund 230.000 ha Bio-Rebfläche (5,6 % der Gesamtrebfläche) geben (sagt das Schweizer Forschungsinstitut für biologischen Landbau für 2013). Österreich hält übrigens mit etwa 10,6 % Öko-Rebfläche weltweit höchsten Bio-Anteil an der nationalen Gesamtrebfläche. Deutschland kommt wie gesagt aktuell auf etwa 7.400 ha (über die Hälfte davon in Rheinland-Pfalz), was rund 7,5 % der Gesamtrebfläche entspricht. Die größte Bio-Rebfläche ist in Spanien zu finden, auf mehr als 80.000 ha (2012) wird dort ökologischer Weinbau betrieben.

Ecovin – Bundesverband Ökologischer Weinbau e.V.

Der bedeutendste Bio-Verband im Weinbau ist Ecovin. Das liegt nicht nur daran, dass er unter den Öko-Verbänden die meisten Mitgliedschaften auf sich vereint, sondern vor allem auch an der nunmehr schon jahrzehntelangen Spezialisierung auf Weinbau und Weinherstellung nach ökologischen Kriterien. Da muss sich eine Menge Kompetenz angesammelt haben. Während die Arbeit im Keller erst seit 2012 von der EU geregelt wird, existieren schon seit 1985, dem Gründungsjahr, Ecovin-Keller-Richtlinien. Daher beansprucht der Bundesverband ökologischer Wein auch eine besondere Richtlinien-Erfahrungen in der Kellerwirtschaft für sich, die übrigens stark in die Diskussion um die europäische Durchführungsbestimmung für die Kellerwirtschaft mit eingeflossen sein soll. Wahrscheinlich mit ein Grund dafür, dass Ecovin nach eigener Aussage in Biowein-Fragen etwas stärker konsultiert wird als die anderen Verbände.

Und natürlich ist Ecovin auch in der Praxis präsent: Mit rund 220 zertifizierten Mitglieder*innen bzw. Weingüter in 12 von 13 Anbaugebieten Deutschlands (Saale-Unstrut ist noch nicht vertreten), die zusammen ca. 1.600 Hektar Rebfläche bewirtschaften sowie den rund 30 Fördermitglieder*innen (ohne Verbandsmitgliedschaft, Logo-Nutzung etc.) mit weiteren ca. 300 ha Rebfläche vertritt Ecovin ein gutes Viertel der deutschen Bio-Rebfläche. Zusammen also rund 250 Weingüter und zw. 1.900 und 2.000 ha Weinstöcke. Im Schnitt soll sich der Bio-Wein mit Ecovin-Logo auf rund 10 Millionen Liter belaufen – 2013 war nicht so ertragreich, da waren es insgesamt rund 9 Millionen Liter, so der Verband.

Eine Besonderheit bei Ecovin ist die enge Kooperation mit Demeter – und natürlich umgekehrt. Seit vier Jahren haben die beiden Bio-Verbände eine Kooperationsvereinbarung, die u.a. eine vergünstigte Doppelmitgliedschaft ermöglicht. Rund 30 biologisch-dynamisch arbeitende Winzer*innen machen davon aktuell Gebrauch.

Als einziger Bio-Verband ist Ecovin auch im Deutschen Weinbauverband (DWV) aktiv und vertritt dort die Interessen und Belange des Bio-Weinbaus. Schließlich unterhält Ecovin auch gute Kontakte zum VDP, in dem 202 Weingüter aus allen deutschen Weinanbaugebieten organisiert sind – „die renommiertesten Weingüter des Landes“ (Eigenaussage VDP).

Bioland e.V.

Seit über 40 Jahren existiert Bioland und nimmt für sich in Anspruch, heute der bedeutendste Verband für ökologischen Landbau in Deutschland zu sein – wenn man einen Blick auf die nackten Zahlen wirft, ist er das auch: Für mehr als 5.800 Mitglieder*innen und 1.000 Partner*innen aus Herstellung und Handel ist Bioland die Interessensvertretung der Wahl. Nach einer 2012 veröffentlichten repräsentativen Studie (TNS Emnid) ist bzw. war zu dem Zeitpunkt Bioland die bekannteste Bio-Marke in Deutschland. Bio-Wein ist ein wichtiger Bestandteil der Bioland-Palette, die sich über die gesamte ökologische Landwirtschaft erstreckt und auch weit darüber hinaus.

Aber ein verhältnismäßig kleiner: Die Bio-Winzer*innen stellen knapp 4,5 Prozent der Bioland-Mitglieder*innen (ohne Partner*innen). Insgesamt bewirtschaften aktuell 253 Bioland-Winzer*innen in Deutschland und Südtirol rund 1520 ha Rebfläche – dabei soll über 10 Millionen Liter Bio-Wein im Jahr herauskommen. Die Winzer*innen sind bei Bioland in regionalen Weinbau-Gruppen organisiert, auf übergeordneter Ebene ist der Bioland-Bundesfachausschuss Wein tätig.

Naturland – Verband für ökologischen Landbau e.V.

Naturland ist der kleine unter den großen Bio-Verbänden, zumindest im Bereich Wein. Wie Demeter und Bioland auch, ist Naturland über Deutschland hinaus aktiv. Insgesamt sind über 2.600 Betriebe in Deutschland bei Naturland organisiert (Stand 2013: 2.616), die eine Fläche von fast 140.000 Hektar ökologisch bewirtschaften. Weltweit sind es rund 41.000 (Stand 2013) Betriebe.

Bereits seit der Gründung im Jahr 1982 gehören dem Verband Weingüter an. Für 34 Weinbaubetriebe aus fast allen deutschen Anbaugebieten ist Naturland die erste Wahl. Sie produzieren etwa 3,264 Millionen Liter Bio-Wein im Jahr, der unter dem Naturland-Logo vermarktet wird. Bei Naturland gibt es nach eigener Aussage eine deutliche Qualitätsorientierung: So handelt es sich bei den Naturland-Weinbaubetrieben vor allem um größere Weingüter, die vielfach auch auf dem internationalen Markt präsent sind. Laut Naturland produzieren die meisten zertifizierten Mitglieder*innen Bio-Weine im Spitzensegment (VDP u. ä.). Seit 1995 unterhält Naturland auch eine Kooperation mit dem VDP.

Aus dieser Kooperation ist, ebenfalls 1995, der Naturland Fachverband Wein entstanden, der heute Naturland Fachversammlung Wein heisst. In ihr sind die Naturland-Winzer*innen vertreten. Seit diesem Zeitpunkt gibt es explizite Richtlinien für Weinanbau und Kellereiwirtschaft. Einige Maßnahmen waren zuvor schon Teil der allgemeinen Erzeugerrichtlinien.

Was bei Naturland auffällt: Hier steht nicht nur „Öko“ im Vordergrund, sondern auch „Fair“. Seit 2005 sind auch Sozialrichtlinien in den Naturland-Richtlinien verankert, fair und bio sollen eine Einheit sein. „100 Prozent Öko und Faire Landwirtschaft weltweit“ ist erklärtes Ziel bei Naturland. Sehr ambitioniert…aber durchaus löblich, wie wir finden. So scheint es auch nicht verwunderlich, dass die „Fair Trade Company“ GEPA schon seit vielen Jahren mit Naturland als Partnerverband zusammenarbeitet.

Demeter e.V.

Demeter ist der älteste der hier vorgestellten Bio-Verbände – und nimmt unter ihnen eine Sonderstellung ein: 1924 gründete sich im Anschluss an die Vortragsreihe „Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft“ Rudolf Steiners der „Versuchsring anthroposophischer Landwirte“, aus dem der Demeter-Verband entstand. Das Demeter-Warenzeichen wurde 1928 eingeführt. Der biologisch-dynamische Landbau basiert also auf den anthroposophischen Vorstellungen Rudolf Steiners, auf die wir hier im einzelnen nicht weiter eingehen wollen. Ob es dabei tatsächlich um die „älteste ökologische Form der Landbewirtschaftung“ (Eigendarstellung) handelt, sei mal dahin gestellt. Zumindest ist Demeter der erste Verband gewesen, der genaue Richtlinien für seine Mitglieder*innen eingeführt hat.

Aktuell gibt es in Deutschland rund 1.400 landwirtschaftliche Demeter-Betriebe, die auf über 68 000 Hektar Fläche biologisch-dynamisch arbeiten. Dazu kommen noch rund 330 Demeter-Hersteller*innen und -Verarbeiter*innen sowie Vertragspartner*innen aus dem Naturkost- und Reformwaren-Großhandel. Demeter ist als internationale Bio-Marke in rund 50 Ländern auf allen Kontinenten vertreten.

Und auch im Weinbau: 47 Demeter-Weingüter (in 8 Weinbauregionen) gibt es aktuell in Deutschland, darunter einige in Umstellung. Die nach Demeter-Richtlinien bewirtschaftete Rebfläche beträgt aktuell rund 487 ha, explizite Weinrichtlinien auch für die Kellerwirtschaft bestehen seit 2008. Weltweit sind es 616 Demeter-Weingüter mit rund 8.200 ha Rebfläche (Stand: 02/2014). Laut Demeter gibt es eine zunehmende Nachfrage nach zertifizierten biodynamischen Weinen. Infolge des anthroposophischen Überbaus nimmt Demeter bzw. der biologisch-dynamische Weinbau eine Sonderstellung ein, daher gibts hier einen kleinen Exkurs: Die Demeter-Richtlinien gehen über den rein ökologischen Landbau hinaus und schreiben bspw. die Verwendung bestimmter, möglichst selbst produzierter, „feinstofflicher“, Produkte vor und beschreiben „kosmische Zusammenhänge“ als Wachstumsfaktoren, was sich in der Orientierung an Mondphasen und Planetenstellungen in der Landwirtschaft – auch im Weinbau – ausdrückt. Hier ein Bespiel: „… ist der Einsatz von biodynamischen Präparaten erforderlich. So verbessert das Hornkiesel-Präparat die Pflanzenqualität. Dafür wird pulverisiertes Quarz in ein Kuhhorn gefüllt und von Frühjahr bis Herbst im Boden eingegraben, damit es die kosmischen Kräfte speichert.

Im Herbst ausgegraben, wird der feine Hornkiesel in Wasser rhythmisch verrührt (dynamisiert) und als Spritzpräparat in feinen Tröpfchen auf den Weinberg verteilt.“ (Demeter über Biodynamischen Weinbau) Das soll die Bodenfruchtbarkeit erhöhen und dazu beitragen, das „Terroir“ bzw. jeweilige charakteristische Aroma voll zur Geltung kommen zu lassen. Schließlich hat sich der Verband nicht von ungefähr den Namen der griechischen Fruchtbarkeitsgöttin gegeben.
Das kann man freilich für Esoterik halten. Ein Langzeitstudie des Schweizer Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) soll festgestellt haben, dass die Bodenfruchtbarkeit bei biologisch-dynamischer Arbeitsweise hinsichtlich einiger Kriterien noch höher ausfällt als bei rein ökologischer Vorgehensweise. Andere Untersuchungen hingegen wollen nicht festgestellt haben, dass speziell die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise im Vergleich zur ökologischen die Bodenfruchtbarkeit erhöht (siehe bspw. hier)


Wie auch immer, die Öko-Pionierin Demeter ist eine beliebte Marke und hat gerade bei Ecovin einen starken Stand durch die bereits oben beschriebene Partnerschaft – über die Hälfte der Demeter-Winzer*innen sind über die Doppelmitgliedschaft auch in Deutschlands größtem Spezialverband für ökologischen Weinbau organisiert.

Quellen: Ecovin, Bioland, Demeter, Naturland, Internet

Bildnachweise (in tatsächlicher Reihenfolge): Bio-Siegel/CC BY-SA 3.0/Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bio-siegel.JPG , Weinwonne, Ecovin, Bioland, Naturland, Demeter

2 Gedanken zu „Die großen Bio-Verbände und der Bio-Wein“

  1. Eine kleine Anmerkung an die Redaktion. „En vogue“ sagt man in Frankreich. In Spanien hab ich das noch nicht gehört. Mag sein das man in Spanien auch ab und zu Französische Begriffe verwendet.