Wie der Tannat nach Uruguay kam und seit wann man in Mendoza guten Wein macht

Kürzlich haben wir unter dem Slogan Hamburg Calling Freikarten für die erste Weinverkostung des neuen Weinimports Divinos y Divinas verlost. Bzw. nicht, da trotz offensichtlichem Interesse an diesem Artikel niemand konkretes Interesse an der Veranstaltung angemeldet hat. Egal, wir waren ja eingeladen und sind trotzdem hingefahren, sollten doch leckere Weine aus Argentinien und Uruguay ausgeschenkt werden – wann kommt man schonmal zu der Gelegenheit uruguayische Weine zu probieren?

Bei schönstem Hamburger Schmuddelwetter führte uns die Wegbeschreibung zur Villa Verde, einem eigens dem Wein gewidmeten Veranstaltungsraum am Rande des Schanzenviertels. Eine eher noble Location, wie wir schon von außen durch die großen Fenster sehen konnten. Und dann gleich die erste Überraschung, die wahrscheinlich gar nicht so überraschend war: Außer uns waren alle ziemlich overdressed. …vielleicht war es auch umgekehrt. Wir wurden trotzdem hereingelassen.

Villa Verde Hamburg

Nun muss man wissen, dass der von Karin Lundberg gegründete, auf südamerikanische Weine spezialisierte Importhandel Divinos y Divinas zumindest zunächst auf Wiederverkäufer*innen zielt. Es war also eine Business-Veranstaltung und entsprechend waren vornehmlich Weinhändler*innen und andere Branchenmenschen vor Ort. Und wir. Der Innenraum war gut gefüllt und auf der einen Seite waren große Tische aufgebaut, auf denen die weitgereisten Flaschen auf probierfreudige Gaumen warteten – neben zig Rotweinen waren auch zwei Weißweine und ein Rosé vertreten. Bevor wir was zu den Weinen erzählen, sind die Weingüter vielleicht noch eine Erwähnung wert: vertreten waren Narbona aus Uruguay und Benegas aus Argentinien.

Tannat von Narbona

Die „Wine Lodge“ Narbona gehört mit überschaubaren 15 Hektar zu den größten Weingütern Uruguays – nach Karins Ausführungen (die Narbona-Vertreterin musste kurzfristig absagen) verfügen die meisten Weingüter des Landes über eine Rebfläche zwischen 5 und 10 Hektar, sind also eher klein. Der Weinbau in Uruguay habe zudem mit ganz anderen Bedingungen zu kämpfen, als sie viele andere Länder kennen: So habe man es dort mit einer Kombination aus sehr nährstoffarmen Böden und einem maritimen Einfluss zu tun.

Narbona Uruguay
Karin Lundberg berichtet vom uruguayischen Weingut Narbona

Wie bei den meisten anderen Weingüter Uruguays steht auch bei der 1909 gegründeten Wine Lodge Narbona, die auch Marmelade, Milch und Käse herstellt, eine besondere Rebsorte im Mittelpunkt: der Tannat, quasi die Weinspezialität Uruguays. Ursprünglich kommt diese sehr dichte, extrem tanninreiche (es soll sich um die gerbstoffreichste Rebsorte überhaupt handeln) Rotweinsorte aus Frankreich bzw. den Pyrenäen. Die Basken haben sie irgendwann nach Uruguay gebracht. Aufgrund der hohen Tanninkonzentration muss der Tannat lange im Fass oder in der Flasche reifen, damit er die Zunge nicht zu einer Rosine zusammenzieht. Karin erklärte, dass Narbona Eichenfässer einsetzt, um den Tannat „zu zähmen“. Da waren wir tatsächlich gespannt.

Bodega Benegas als Weinpionier

Für den Ausschank der Weine der bedeutend größeren Bodega Benegas war die Kusine des Besitzers an diesem Abend zuständig, die auch die Vorstellung des Weinguts übernahm. Ein geschichtsträchtiges Weingut, wie wir erfahren haben: Nach dieser Erzählung war es der Urgroßvater des heutigen Besitzers, der dafür gesorgt hat, die seinerzeit eher mittelprächtigen Weine des Landes zunächst in Mendoza und davon ausgehend dann in ganz Südamerika auf ein neues Qualitätsniveau zu hieven. Der Mann schien ein Tausendsassa gewesen zu sein: Don Tibucio Benegas überquerte auf seinem Weg nach Chile auf einem Esel die Anden und reiste auch bis nach Frankreich (nicht auf einem Esel, auf einem Boot nehmen wir an), um aus diesen Ländern edle Reben und Wein-Know-how mitzubringen. Achja: Gouverneur von Mendoza ist er auch mal gewesen.

Wie dem auch sei, die Bodega Benegas verfügt in der extrem regenarmen Provinz Mendoza, mit einem Anteil von über 60 Prozent das größte Weinbaugebiet Argentiniens, über sehr alte Weinberge – teils sind die Rebstöcke, aus denen heute noch Wein gewonnen wird, über 120 Jahre alt. Daraus gewinnt sie offensichtlich gute Weine – wenn man einen Bezug vom Preis auf die Qualität hergestellen will.

Preisfrage: Ist der 50 Euro-Wein leckerer als der für 26 Euro?

Da wir ja nicht zum Spaß da waren, haben wir uns also zwei Gläser geschnappt und angefangen durchzuprobieren. Zwar waren die Portionen, die ausgeschenkt wurden, nicht gerade verschwenderisch, es hat aber doch genügt, sich einen Eindruck zu verschaffen. Auch immer wieder beeindruckend: Wie Weinkenner*innen nach dem ersten Nippen und dem danach folgenden, Anerkennung zollenden Kopfnicken und Gemurmel den noch im Glas befindlichen Wein wegkippen. Wobei beeindruckend vielleicht das falsche Wort ist … Leute gibts…

Narbona Sauvignon Blanc

Aber nun zum Wein. Praktisch war, dass am Eingang Bewertungszettel auslagen mit allerlei Ankreuzmöglichkeiten. Lustig war, dass kein Mensch außer uns die benutzt hat. Den ersten Zettel haben wir einem 2015er Sauvignon Blanc (Puerto Carmelo) des Weinguts Narbona/Uruguay gewidmet. Der hat natürlich gleich schon einen Pluspunkt bekommen, weil ein Oldtimer auf dem Etikett war. Ich mag Oldtimer. Und Sauvignon Blanc, also ging das schon mal in die richtige Richtung. Und der Wein hat nicht enttäuscht: Schön dichte, herbstliche Farbe, frisches fruchtig-Blumiges Bouquet und ein mediumspritziger Geschmackseindruck, der vor allem Aromen von Grapefruit vorwies und mit seiner süßlich-herben Note doch ganz rund war. Eher zum Nippen als zum Kippen, war das ein schöner Wein, der mit 14 € einer der günstigsten Weine des Abends war.

Nachdem wir die anderen Nicht-Rotweine getrunken haben – Chardonnay Clara Benegas (ganz ok, sehr weich, kräutrig-blumig, mit leicht bitterem Nachhall – 11,50 €) und Rosé Carmela Benegas (lecker: weich, schwer und mediumspritzig, Sauerkirsche und Honig – 11,50 €), war es Zeit, sich den dargereichten Speisen zu widmen: Es gab gute Oliven und Weißbrot, dem wirklich leckeres Olivenöl und Meersalz beiseite gestellt wurde. Und Empanadas, die allerdings – Abzüge in der B-Note – nur mit Fleischfüllung zu haben waren. Naja, meiner Begleitung hats glaube ich geschmeckt. Mehr oder weniger gestärkt sahen wir dann den Rotweinen entgegen, die wir weder alle probiert haben noch alle Probierten notiert haben – das wäre dann doch in Stress ausgeartet.

Narbona Tannat

Aber ein paar der südamerikanischen Rotweine wollen wir doch kurz vorstellen. Während der „Einstiegsrotwein“ aus dem Hause Benegas „Juan Benegas“ (13 €) keinen bleibenden Eindruck hinterließ, steigerte sich das Lustempfinden mit den nächsten Roten doch beträchtlich. So war der vergleichsweise günstige (14 €) Narbona Puerto Carmelo Tannat 2010 ein schöner Tropfen (wieder inkl. Oldtimer): fruchtig, blumig-dicht und würzig sowie alkoholisch im Duft, machte er auch im Mund einen komplexen Eindruck mit interessantem, wechselhaftem Aromenspiel, das hier wahrscheinlich nur mangelhaft beschrieben wird: Eher mäßig adstringierend, vollzog eine angenehme Zitrusnote eine reizvolle Entwicklung auf der Zunge, die von Brombeer- und Kirscharomen sowie einem Anflug von Kautabak begleitet wurde. Voluminös mit schönem Nachhall – hat uns gut gefallen.

Der Tannat Roble 2011 desselben uruguayischen Weinguts fand in uns ebenfalls begeisterte Trinker*innen – aber mit 26 Euro schon eine ordentliche Ansage. Auf jeden Fall ließ der Geruch nicht auf 26 Euro schließen, .wie auch immer das gehen soll. Dem aber doch schon runden, fast schon cremigen Bouquet, folgte ein sehr fruchtiger (Zitrus) Geschmack, der mit leicht salzigen und ledrigen (ordentlich gegerbt!) Komponenten schön ausbalanciert war. Gut adstringierend, aber noch im Bereich des Angenehmen. Können wir jetzt schon mal verraten: Unser beider Favorit des Abends!

Nobel geht die Welt zugrunde…

Die nächste Stufe der von uns bestiegenen bzw. betrunkenen (sic!) Preisleiter bildete der Finca Libertad (2009) von Benegas, ein Cuvée, dessen Zusammensetzung wir doch glatt vergessen haben…Macht aber nix, denn mit 30 Euro dürfte dieser, zugegebenermaßen leckere, marmeladig-fruchtige, kernig-dichte argentinische Rotwein für die meisten Menschen sowieso nicht erschwinglich sein.

Über die 30 Euro lachen die letzten 3 von uns probierten Rotweine freilich nur, die ab 50 Euro zu haben sind. So teuren Wein haben wir bisher auch noch nicht getrunken und waren entsprechend gespannt! Irgendwie (zumindest wenn man es nicht kennt) erwartet man angesichts des hohen Preises ein besonderes, „exklusives“ Geschmackserlebnis, das sich so freilich nicht einstellte: Schmeckte auch einfach „nur“ nach gutem Wein… Die Rotweine waren schon sehr lecker, keine Frage, aber der Sprung von Mitte 20 auf teils über 50 Euro war für uns (die wir natürlich keine ausgebildeten Weinexpert*innen sind) geschmacklich nicht nachvollziehbar – auch wenn es im Herstellungsprozess Gründe geben mag, die einen höheren Preis rechtfertigen.

Narbona Luz de Luna Tannat

Der Lynch Cabernet Franc 2006 (50 €) von Benegas roch lecker, wie eine in Rotwein eingelegt Blumenwiese und hatte einen irgendwie seidig-kühlen Geschmack, medium-adstringierend und -fruchtig (Blaubeere). Das Meritage-Cuvée 2008 von Benegas (ebenfalls 50 € – wer die Zusammensetzung wissen will, muss selbst recherchieren, haben wir Weinbanausen vergessen zu notieren) roch auch lecker – wir fanden, dass alle teureren Weine recht ähnlich rochen – war schön fruchtig, aber gerbstoffbetonter und alkoholischer – Geschmackssache. Der Narbona Luz de Luna Tannat 2011 (für schlappe 58 € – siehe Bild) schmeckte – im Vergleich zu dem vorhin erwähnten Tannat Roble 2011 – unerwartet normal, eher dezenter Duft und vergleichsweise wenig adstringierend, präsentierte sich dieser uruguayische Tannat vornehm zurückhaltend. Schmeckte schon fein und irgendwie elegant (vielleicht aber auch nur Einbildung im Wissen um den Preis) und war durch seinen gefühlt leichteren Auftritt süffiger – aber auch mit weniger Profil. Fanden wir.

Kurzum: Unsere Favoriten des Abends waren der frische Sauvignon Blanc 2015 und der interessante Tannat Roble 2011 – beide von der Wine Lodge Narbona aus Uruguay. Aber eigentlich haben uns fast alle probierten Weine geschmeckt…

Dann war es Zeit, den Heimweg anzutreten – diesmal bei schönstem Hamburger Starkregen. Die im Inneren auf Hochtouren laufende Rotweinheizung verhinderte aber zuverlässig ein Auskühlen und so schafften wir es – um uns wieder zu erden und den Abend gebührend ausklingen zu lassen – frohen Mutes in eine stillose Bahnhofskneipe, wo wir uns ein schönes, kaltes Bier schmecken ließen.

Elbperle Hamburg

Wer mehr über den neuen Weinimport Divinos y Divinas erfahren will – hier gehts zur Webseite (auf spanisch – deutschsprachige Version noch im Aufbau).

3 Gedanken zu „Wie der Tannat nach Uruguay kam und seit wann man in Mendoza guten Wein macht“

  1. Ein sehr interessanter Bericht. Ich hätte schon gern an der Verlosung teilgenommen, aber mir war die Entfernung zu weit. In der Tat sind Weine aus Uruguay weniger bekannt; die meisten in Deutschland angebotenen Weine aus Südamerika stammen aus Chile. Der Wein aus der Tannatrebe soll ja gerade wegen seines hohen Polyphenolgehaltes zu den „gesündesten Weinen der Welt“ gehören. So haben Weine aus Uruguay einen kleinen Extra-Bonus. Auch vielleicht noch erwähnenstwert ist, dass sehr dichte und konzentrierte Weine der Petit Verdot-Rebe ebenfalls reinsortig in Uruguay angeboten werden. Sonst eher eine Seltenheit. Auch ist der Vorteil der kleineren Weingüter, dass diese nicht der Massenproduktion verfallen können. Dann lieber etwas mehr bezahlen und eine schöne Qualität genießen…

  2. …war bei mir auch das erste Mal, dass ich uruguayischen Wein getrunken habe. Und Tannat. Danke auch für den Hinweis mit dem Polyphenol…interessant.
    Kleine Weingüter finde ich natürlich auch hochsympathisch und selbstverständlich rechtfertigt das auch höhere Preise. 50 Euro für eine Flasche Wein sind dennoch ein ziemlich exklusives Vergnügen. Wobei das ja die Endpreise sind – wäre natürlich auch mal interessant zu wissen, was da für den Import sowie an Handelsmarge draufgeht bzw. was solch ein Wein ab Weingut in Uruguay kostet.

  3. @ SB:
    In Uruguay ab Winzer dürften sie deutlich günstiger sein, aber Verpackung, Transport + Zoll in die EU müssen ja zunächst aufgeschlagen werden, ebenso wie die Umsatzsteuer. Es gibt aber sehr schöne Weine aus Uruguay für jedermann hier zu kaufen zwischen 6 und 15 Euro /Flasche. Damit kosten sie auch nicht mehr als andere.