Ein Gespräch mit Winzer Martin Tesch über dicke Bretter, Punkrock und natürlich Riesling unplugged – Das Weingut Tesch bringt den Riesling unplugged zum Klingen. Riesling unplugged, die Toten Hosen oder der klassische Weinhandel, auf das Weingut Tesch in Langenlonsheim an der Nahe kann man auf viele Arten stoßen. Bei uns war es glaube ich auch irgendwann mal ein Artikel über Musik und Wein, der das erste Mal das von Dr. Martin Tesch geführte Nahe-Weingut in unser Blickfeld schob. Auf das im Übrigen überaus erfolgreich geführte Weingut, denn die Innovationsfreude (Innovation ist ja eine dieser ausgelutschten Werbevokabeln, aber hier passt der Begriff wirklich gut) und der einfach gute Wein haben dem Weingut Tesch einen ziemlich ordentlichen Ruf eingehandelt. Wobei Innovationsfreude es wohl nicht 100-prozentig trifft, denn es gab auch andere, harte Zeiten, die das Einschlagen neuer Wege erforderten, wie Martin uns erzählte und ihr später erfahren werdet, wenn ihr die Muße habt, euch durch den langen, dichten Buchstabendschungel ins prickelnde Rieslingparadies durchzulesen.
Aber von vorn. Wir wollten nun also auch mal das Weingut Tesch in Langenlonsheim besuchen und Mastermind Martin war so freundlich, uns auch zu empfangen. Was gar nicht so einfach war, denn Langenlonsheim war zu der Zeit eher Langenbaustelle. Also 5 Mal im Kreis gefahren, mindestens ebenso häufig geflucht und dann doch irgendwann ins Schwarze getroffen. Bzw. einen Parkplatz gefunden. Das verlangt unter normalen Umständen schon nach einem Glas Wein…
Das Gegurke war aber schnell vergessen, als wir durch die Pforte des Weinguts Tesch getreten sind. Hinter der netten alten Dorfhausfassade verbirgt sich ein cooler Betrieb, dessen Einrichtung je nach Raum zwischen stylishem Plattenstudio-Büro und moderner Weinboutique mit gut abgestimmten, historischen Einsprengseln variiert. Mit der vielerorts immer noch häufig anzutreffenden traditionellen, in feinster barocker Eiche gehaltenen Weingutsstube hat das nicht viel gemein. Außer vielleicht den Namen Weingut.
Martin entpuppte sich als netter, lockerer Typ mit einer eigenständigen Meinung und Sinn für Humor, der sich trotz Business-Trubel viel Zeit genommen hat, um mit uns Weindilettanten zu plaudern – und natürlich Riesling unplugged und die anderen Weine zu trinken. Weingut Tesch ist ja eigentlich ein Synonym für Riesling. Aber bei unserem Gespräch wurde auch deutlich, dass sich Martin Tesch in persona nicht allein auf seinen Wein reduzieren lassen will – und erfrischenderweise den Kult um den Wein durchaus kritisch betrachtet.
Letzte einleitende Bemerkung: Wir haben das Interview mit Martin vom Weingut Tesch Ende Juni geführt, .ist also schon ein paar Tage her und warum auch immer haben wir es erst jetzt geschafft, es zu verschriftlichen. Das macht aber nix, denn die Themen waren nicht wirklich zeitgebunden.
Weinwonne: ihr füllt erst jetzt euren Wein ab…warum so spät?
Martin Tesch: Ich hole mal weiter aus… Wir verwenden seit 10 Jahren Drehverschlüsse. du kannst Wein abfüllen mit 1,5 oder 1,7 Gramm gelöster Kohlensäure pro Liter, das ist überhaupt kein Problem mit Kork. Der Wein hat einen Überdruck, das gleicht sich mit dem Kork aus, also irgendwann wird der bei einem normalen atmosphärischen Druck sein. Beim Drehverschluss geht das nicht. Unsere Drehverschlüsse aber halten mehr Druck aus als die Flasche, das sind Stelvin Lux. Stelvin garantiert bis 2 Bar, wir haben bis 2,5 Bar getestet, das war überhaupt kein Problem. Und wenn du mal richtig Druck drauf gibst, dann knallt die Flasche bei 3,5 bis 4 Bar auseinander. Ich wollte einfach mal wissen, wann sich die dichtung hebt. Eigentlich könnte man ja denken, dass 2 Bar Druck in einer Weinflasche Quatsch sind, weil die nicht erreicht werden. Ist es aber nicht, wir haben das getestet, indem wir den Wein in der Flasche mit einem Tauchsieder erwärmt und einen Manometer auf die Flasche gesteckt haben und bei 52 Grad hat die Flasche die 2 Bar Druck erreicht – 52 Grad sind nicht so unrealistisch, da musst du nur den Wein im heißen Auto auf dem Rücksitz liegen lassen…oder in Dubai (lacht). Das kann also schnell passieren. Kork hält etwa 1,1 Bar, dann hebt er sich. Unser Drehverschluss hält 4 Bar.
Wenn die Kohlensäurekonzentration im Wein aus der Gärung zu hoch ist, wirst du das hinterher nicht mehr los. Dann hast du irgendwann einen Wein, der 3 bis 4 Jahre alt ist, aber noch sauviel Kohlensäure hat. Wenn der Wein reift und das Bouquet komplexer wird, dann passt das einfach nicht mehr, schmeckt nicht. Eine hohe Kohlensäurekonzentration ist ein Merkmal eines jungen Weines. Deswegen warten wir ab. Der Wein muss sich erwärmen und das tut er am besten natürlich und ganz langsam: Kellertüren auf, jeden Tag ein bis zwei Zehntel Grad…
Weinwonne: Und wie machen das andere? Drehverschluss ist ja mittlerweile gang und gäbe…
Martin Tesch: …die denken da gar nicht drüber nach. Bzw. sagen viele ‚Das ist für meine Basisweine und die werden eh schnell getrunken‘. Ist ja auch ok, merkt ja kein Mensch…das merkst du erst, wenn die Weine älter werden. Und viele Weine mit Drehverschluss werden nicht alt. Viele Winzer nehmen für ihre Guts- und Ortsweine Drehverschluss und für die tollen Weine Kork – wenn es einen Korkschmecker gibt, soll der Schaden also richtig groß sein…(lacht)
Weinwonne: Waren Korkschmecker der Grund, warum ihr vor 10 Jahren alle Weine des Weinguts Tesch auf Drehverschlüsse umgestellt habt?
Martin Tesch: Ne. Als ich angefangen habe – wann war das …ja, ’98, das war wirklich ein super Jahrgang – da hatte ich bei der Karthäuser Spätlese trocken eine Korkschmecker-Quote von 30 bis 40 Prozent. Das war der Hammer, das war so schlechter Kork damals. Ja, und dann hatte ich den Laden erst mal mit ‚unplugged‘ in die Luft gejagt. Und als wir uns davon wieder ein bisschen erholt hatten und das erste Geld verdient haben, wollten wir eine neue Abfüllanlage. Also erstens haben Korken genervt. Zweitens haben wir uns die neue Abfüllanlage gewünscht, das mit den Lohnfüllern war irgendwann Stress für uns. Da machst du deine Termine mit dem Lohnfüller im Dezember aus und für den einen Wein passt das dann genau. Der nächste Wein bekommt dann noch einen kleinen Schubs, damit das passt, wobei 4 Wochen später besser wären. Und ein anderer Wein ist zu dem Datum dann schon über die Klinge gesprungen. Das ist also eine Art Normalverteilung: Es passt für die meisten Weine irgendwie, aber eben nicht für alle. Die neue Anlage war ein Riesenschritt für uns – wir konnten endlich abfüllen, wenn der Wein genau richtig war. Eine tolle Maschinenbaufirma aus der Gegend hat dann die Abfüllanlage an die Nahe gebaut. Da die aber nicht wissen können, wie man am besten Wein abfüllt, haben wir – das waren neben dem Weingut Tesch Weingüter wie Schloss Vollrads, Dönnhoff und noch verschiedene andere – denen Lastenhefte geschrieben à la ‚Nach meiner Vorstellung müsste ein toller Abfüller das und das können…‘ (lacht) So ist der Abfüller dann zusammen entstanden. Da haben wir alle zusammen wirklich um die letzten Prozente in der Abfüllqualität gefeilscht. Und dann habe ich mir gesagt: Die Flasche ist voll, läuft 20 Zentimeter auf dem Band und dann soll ich einen Korken reinhauen? Ne. Ich kann doch vorher nicht alles richtig machen und danach ist’s egal…30 Prozent Ausschuss? Ne… Also haben wir uns auf die Suche nach Verschlüssen gemacht.
Mit Stelvin Lux kam das so: Da war ich in Schweden. Dazu muss man wissen, dass in Skandinavien die Akzeptanz für Drehverschlüsse tierisch groß ist. Wein ist da soo teuer. Die Schweden kaufen sich für das Wochenende genau 3 Flaschen: Freitag, Samstag, Sonntag… (lacht) …wenn davon eine korkt, dann flippen die aus. Das ist wirklich so teuer…die trinken Bag-in-Box und alles. Naja, und dann hieß es in Schweden: ‚Wir kaufen gerne Weine vom Weingut Tesch, aber nur ohne Kork‘.
Weinwonne: Verkaufst du denn viel nach Schweden?
Martin Tesch: Wir haben weltweit einen Markt für unseren Wein. Auf jeden Fall bin ich dann einfach in einen dieser Monopol-Läden reingegangen und hab‘ mal geguckt, was die Schweden so haben. Da war ein Drehverschluss dabei, den habe ich noch nie gesehen und ich habe gedacht ‚Boah, das ist ja ’ne Bombe, wo kommt der denn her?‘. Das war ein neuseeländischer Wein. Dann habe ich bei denen angerufen und gefragt, wo die den Verschluss her haben. Und dann hat sich herausgestellt, dass das Weine aus einer Testfüllung waren…die haben gedacht, das merkt kein Mensch (lacht). Die Verschlüsse kamen von einer französischen Firma und dann habe ich dort angerufen und gefragt, ob die die produzieren können. Konnten sie theoretisch, allerdings gebe es keine Maschinen dafür in Europa. Ach, das kriegen wir hin, meinte ich. Dann haben wir jemanden in Mannheim gefragt, ihm Verschluss und Flasche gezeigt – und 4 Wochen später war die Maschine fertig.
Weinwonne: Ihr habt extra eine Maschine für den Verschluss bauen lassen?
Martin Tesch: Ja, es gab ja noch keine. Wir waren die ersten 🙂
„Ich find’s immer gut, wenn was Neues passiert!“ Martin vom Weingut Tesch
Weinwonne: Was ist denn das Besondere an dem Verschluss?
Martin Tesch: (steht auf und holt eine Flasche) …also: Normalerweise ist das bei einem Drehverschluss so, dass es eine dichtung gibt, die oben auf der Mündung sitzt. Die wird angepresst durch eine Alukappe, die hier auf das Gewinde aufgewalzt wird. Aber der hier (zeigt den Stelvin Lux) wird aufgedreht und zieht dabei um die Mündung einen Konus. Früher wurden bspw. Wasserleitungen mit Hanf dichtgemacht oder verlötet, heute werden die alle gepresst – das ist im Prinzip genau das Gleiche. Da ist eine gasdichte dichtung drin, die definiert aufgepresst wird. Das sieht man: die dichtung ist rund.
Weinwonne: Von außen sieht das wie eine Mischung aus Drehverschluss und Glaskorken aus.
Martin Tesch: Ja, genau. Wir haben auf den Drehverschluss dann Pfeile gemacht. Es gab schon Leute, die haben sich mit dem Kellnermesser abgemüht und sich gefragt, was das wohl für ein Verschluss ist. Da hat sich wirklich schon jemand mit diesem Messer verletzt…das war ein Golfprofi. Stell dir mal vor: Ein Golfprofi ohne Finger…wäre das in Amerika passiert, wäre ich jetzt wahrscheinlich pleite. Naja, seitdem sind die Pfeile drauf, damit man sieht, dass es ein Drehverschluss ist. Mittlerweile sind die auch fast schon zu einem Symbol für das Weingut Tesch geworden. Jetzt haben wir seit 10 Jahren Drehverschluss. Jeder hat ’ne Theorie was mit Weinen unter Drehverschluss passiert, aber keiner weiß was…die Österreicher, die Schweizer, die Australier: die wissen das. Aber alle anderen nicht.
So, probiert mal…(schenkt einen Wein ein)
Weinwonne: Was ist das Feines?
Martin Tesch: Weißburgunder Liter. Standard Picknick-Klasse. (alle lachen) Ne, Literweine sind super wichtig für uns. Der Wein muss typisch sein für die Rebsorte und für die Region und auch für das Weingut.
Weinwonne!: Hm, ganz lecker.
Martin Tesch: Ja, frisch gefüllt. Unser Basiswein wird überwiegend in der Gastronomie glasweise verkauft. Unwahrscheinlich viele Leute lernen Wein über sowas kennen. So, hier mal der Riesling.
Weinwonne!: Ja, der ist auch nett… zitronig.
Martin Tesch: Bei uns ist ja alles ganz einfach. Dieses Weingut hat nur 3 Rebsorten: Weißburgunder, Spätburgunder und Riesling… 90 Prozent Riesling.
Weinwonne: Das wollten wir dich eh fragen…warum macht das Weingut Tesch fast nur Riesling?
Martin Tesch: Weil es einfach das Beste ist, was man hier machen kann. Mein Vater hatte schon 70 bis 80 Prozent Riesling. Früher hatte man in den guten Lagen immer nur Riesling gepflanzt und da wo kein Riesling gewachsen ist, irgendwas anderes. Und wenn man einen hohen Besitz an guten Lagen hatte, hatte man eben einen hohen Riesling-Anteil, klar. Bei uns hängt das auch damit zusammen, dass unser Weingut über 300 Jahre alt ist. Mit der Zeit kommt da ein guter Lagebesitz zusammen – man braucht Generationen für sowas. Ich hatte das Glück, dass ich das so vorgefunden habe.
Dann haben wir eine unwahrscheinlich hohe Bodenvielfalt, wahrscheinlich wie in keinem anderen Weinbaugebiet. Riesling geht mit den Böden mit und verändert seinen Charakter. Somit hat man schon ganz natürlich eine gewisse Varianz. Als ich angefangen habe, hatten wir noch Gewürztraminer, Scheurebe, Müller-Thurgau, Silvaner und was weiß ich was alles – diese Bandbreite habe ich dann gekillt. Somit ist das kein typisches Weingut für die Region, die haben meist eine größere Bandbreite. Aber bei uns hat das gut angezogen. Und im Rheingau ist das nicht so ungewöhnlich.
Der Schwerpunkt Riesling war also schon da und dann hat es sich eben so weiter entwickelt. Als ich angefangen habe, hatten wir noch 20 Prozent halbtrockene und süße Weine. Irgendwann kam dann Riesling unplugged und dann hats erstmal gekracht. Und danach war der Anteil an trockenen Weinen bei 100 Prozent. Das sieht natürlich erstmal brutal aus, wenn du das auf dem Reißbrett siehst: 5 Lagen, der unplugged und die Literweine…das wirkt schon sehr gerade.
Weinwonne: Sieht nach ’nem Konzept aus…
Martin Tesch: Ja, aber das hat Jahre gedauert, bis sich das entwickelt hat. Das war nicht so, dass jemand hierher kam und sagte ‚Ich hab das Licht gesehen, so und so müssen wir es jetzt machen‘. Das ist alles gewachsen, das wurde nicht mit Gewalt auf links gedreht. Und jetzt ist das Weingut Tesch einer der hochspezialisiertesten Betriebe in Deutschland. Wie viele Weingüter gibt es mit 100 Prozent trocken nördlich von Baden? Nicht viele.
Weinwonne: Kommen eigentlich noch Leute zum Hof und kaufen Wein oder läuft bei dir mittlerweile alles über Vertrieb?
Martin Tesch: Nene, da kommen schon Leute in den Laden und kaufen Wein. Gut, mit der Baustelle (vor der Tür wird die Straße aufgerissen…s.o.) ist’s grad ein bisschen schwierig… seit 4 Jahren … (lacht) Nein, das ist schon ganz normal. Gerade, wenn du so hochspezialisiert bist, brauchst du einen breiten Markt. Viele Leute mögen das nicht, wenn die Weine ganz trocken sind, wie der Riesling unplugged. 2 Gramm Restzucker ist nicht jedermanns Sache. Aber muss ja auch nicht, das Weingut ist ja klein … (Martin schenkt uns den Riesling unplugged ein)
Weinwonne: ihr habt 21 Hektar, das ist nicht wirklich klein für die Region, oder?
Martin Tesch: Nein, aber im internationalen Vergleich schon. Leute aus Kalifornien oder Spanien lachen sich darüber nass.
Weinwonne: Hmm, der Riesling unplugged riecht aber sehr gut…
Martin Tesch: Ja, bei diesem ist dann schon ein anderes Etikett drauf, wie bei all unseren Weinen mit ausschließlich eigenen Trauben – das ist der Enkel vom Gründer, der war schon im 19. Jahrhundert auf den Flaschen vertreten. Bei den Literweinen sind auch dazugekaufte Trauben vom Nachbarn mit dabei. Sobald die Gutsheraldik mit drauf ist, handelt es sich um eine Gutsabfüllung.
Weinwonne: Wie bist du auf die Idee zum Riesling unplugged gekommen?
Martin Tesch: Ende der 90er gab’s so einen Trend, da hat man die Kaltvergärung durchgeführt und die Süße ausgereizt. Da hat man die Weine analytisch an die Grenze des Trockenen gedrückt. Dadurch wurde der Wein immer mainstreamiger, immer mehr „easy drinking“. Die erste Idee zu diesem Wein war, einfach Rohware unverschnitten abzufüllen. So nach dem Motto: ‚Passt mal auf Leute, trockener Riesling ist nicht easy drinking‘. Das hat Grip und Schliff und ist nicht…
Weinwonne: Och, ich find den jetzt aber auch nicht schwer zu trinken, ehrlich gesagt…
Martin Tesch: Kommt drauf an, was man gewohnt ist.
Weinwonne: Wir trinken natürlich gerne Riesling
Martin Tesch: Naja, so ist das eben. Der Riesling unplugged hat 2 Gramm Restzucker bei 8,5 Gramm Säure. Von 9 Leuten, die das probieren, sagen 3 ‚boah, das geht gar nicht‘, 3 sagen ‚genauso gut wie der Wein vom Nachbar‘, merken also den Unterschied gar nicht, und 3 sagen ‚das ist genau meins‘… der Wein polarisiert.
Weinwonne! Ich finde es ganz schön, wie der sich im Mund entwickelt…was rufst du für den Riesling unplugged ab?
Martin Tesch: 8,90 €. Der 2014er ist auch ein idealer Jahrgang für sowas, 11,5 Alkohol, durchgegoren, zwischen 7,5 und 8 Gramm Säure und schmeckt einfach. Der hat genug Stoff, um die Säure zu verpacken. Das ist ein Optimaljahr!
Weinwonne: Hat der Riesling unplugged etwas mit deinem Toten Hosen-Projekt zu tun?
Martin Tesch: Nein. Der Riesling unplugged war das, was uns den Kopf unter Wasser gedrückt hat und was uns dann aber auch wieder herausgeholfen hat. Da haben wir auf Anhieb 40 Prozent unserer Kundschaft verloren. (was auch mit dem Anglizismus zu tun hatte, der traditionellen Trinker*innen schwer aufgestoßen ist; Anm. TLW) Die Hosen-Geschichte kannst du auf deren Homepage nachlesen (hier gehts zum langen, sehr lesenswerten Interview). Ich bin in Bingen zur Schule gegangen und habe die Toten Hosen 1982 oder 83 in einer kleinen Turnhalle gesehen so groß wie der Raum hier. Und dann gab es 2005 die Toten Hosen unplugged in Wien. Das war die Zeit, da gings uns echt noch schlecht. Da haben wir die einfach gefragt, ob die das interessiert: ihr macht unplugged, wir machen unplugged könnt ihr damit was anfangen? Wir haben damals viele Leute gefragt, wir wollten ja nicht sterben. Und es waren 2 Berufsgruppen, die uns dann geholfen haben: Köche und Musiker.
Die Weinszene hat Tränen über uns gelacht, so nach dem Motto: Da fällt der Typ den Baum, dessen Früchte er ernten will. Aber dadurch haben wir uns ganz anders entwickelt. Zuerst haben die Hosen den unplugged auf ihren Aftershow-Partys ausgeschenkt, dann haben wir gemeinsam zur Machmallauter-Tour den Machmalriesling kreiert, der zweite Bandwein war Weißes Rauschen zur Schall und Rauch-Tour.
Wenn die Leute hier ankommen mit Toten Hosen und so, sag ich denen immer: die Schnittmenge zwischen Punkrock und Wein ist null. Wein ist Handwerk, Landwirtschaft usw. und Punkrock heißt, Konzertsäle auseinandernehmen.
Weinwonne: Och, aber die Leute werden ja auch älter und trinken dann gerne Wein…
Martin Tesch: Ja, klar, gibt ja auch meine Generation, aber… nenene, Punkrock ist Punkrock und Wein ist Wein. So belassen wir es. Weißes Rauschen war jedenfalls ein langer Prozess und ist wirklich ein Meisterwerk. Weißes Rauschen heißt: keine Ahnung, Filmriss das passt super – ein perfektes Konzept. Der erste Jahrgang war 2008 und den gibt’s immer noch. Der wird nur für die Hosen gemacht. Daneben arbeiten wir auch mit Rock am Ring und Wacken zusammen und noch einigen anderen.
Weinwonne: Das hört sich ja ganz spannend an. Dann kommst du sicher häufig aus dem klassischen Weinmilieu heraus, oder?
Martin Tesch: Das hat sich so entwickelt. Aber 90 Prozent unserer Weine werden in klassischen Weinläden verkauft. Aber wir mussten in der Krise ja auch andere Wege gehen. Aber das ist alles schon lange her, das ist schon Geschichtsschreibung.
Weinwonne: Der Riesling unplugged ist auch dein Renner, oder?
Martin Tesch: Ja, das ist mittlerweile die Ikone vom Weingut Tesch, unser Hauptwein. Wir haben mit unplugged 40 Prozent der Kundschaft verloren, als wir den Wein auf den Markt gebracht haben – die waren schlagartig weg! Da war deutscher Wein noch was anderes. Mittlerweile ist das der 14. Jahrgang Riesling unplugged. Im Prinzip ist die Sache ja ganz einfach: Das ist der alte Naturweinwitz neu erzählt, nicht chaptalisiert, nicht entsäuert, nicht verschnitten, nicht was weiß ich was mit getan.
Weinwonne: Der Wein wird gar nicht geschönt?
Martin Tesch: Der wird schon filtriert und geschwelfelt. Und wir nehmen auch Pektinase zum Pressen, sonst kriegen wir den Saft nicht raus bei 1,5 Bar. Die Leute kommen immer an und fragen: Ist der Riesling unplugged denn auch spontan vergoren? Nö! Der soll ja durchgegoren sein, da darf keiner hängen bleiben. Wobei, es gab eine Ausnahme: 2010. Da war der unplugged unter 6 -7 Gramm Restzucker nicht trinkbar, da sind wir etwas höher gegangen.
Weinwonne: Aber der Gedanke ist schon, damit etwas Ursprüngliches zu schaffen?
Martin Tesch: Ja, klar. Dazu kommt die Ernte von Hand – das muss so sein: Ein Wein, der durchgegoren ist, kann auch ganz schön bissig werden. Wenn du ein Jahr mit ein bißchen Unreife drin hast und gärst durch.. puh, hart! Da musst du schon im Weinberg dran arbeiten bzw. darauf hinarbeiten. Am Anfang haben wir das nicht gemacht, mittlerweile tun wirs… (lacht) Dann pressen, vorklären – also absetzen lassen -, gären. Und dann durchgären. Wir vermehren hier unsere Hefe selbst, wie in einer Brauerei: Hefe anziehen, teilen, usw. Und natürlich keinerlei aromaverstärkende Hefen, die irgendwelche lustigen Primärfruchtaromen machen. Keine Enzyme, die das Aroma pushen. Kein Verschnittanteil – man darf ja 15 Prozent andere Sachen zuschneiden, ohne das zu deklarieren. Wenn du einem Riesling 3 – 4 Prozent Gewürztraminer dazugibst oder am besten noch ne süße Scheurebe – das Bouquet verändert sich komplett! Das wird „schöner“, nicht unangenehm. Für die alten Kellermeister war das die hohe Kunst, die haben wie Konditoren gearbeitet, um das Pünktchen hinzukriegen. Bei dem Riesling unplugged gibts sowas also nicht. Im Prinzip ist das einfach ein roher, ganz trockener Riesling, fertig.
Weinwonne: Ist dieser Ursprungs-Gedanke bei dir auch verknüpft mit einem Bio-Gedanken?
Martin Tesch: Ja, klar.
Weinwonne: Aber du bist nicht zertifiziert…
Martin Tesch: Nö. Wir arbeiten hier komplett herbizidfrei, insektizidfrei und mineraldüngerfrei. Das ist alles Bio. Ausnahme: der Kupfereinsatz ist reduziert. Kupfer ist eine Notbremse, ein höllisch gutes Fungizid, da ist praktisch nichts gegen gewachsen. Aber Kupfer ist auch mit das stärkste Pflanzengift, das es gibt. Bei Karotten oder Weizen ist das kein Problem, weil die Pflanzen im Anschluss immer komplett von der Fläche entfernt werden. Irgendwo ist es dann schon in der Nahrungskette drin, aber für den Menschen ist es nicht giftig.
Weinwonne: Aber es reichert sich gut im Boden an.
Martin Tesch: Ja, im Weinberg reichert es sich extrem an. Es gibt wirklich Weinberge in Frankreich, wenn die da neue Reben pflanzen wollen, müssen die erstmal 4 Kubikmeter Boden austauschen, sonst wächst da nichts. Kupfer ist das einzige, was ich an Bio nicht so mag. Ich denke, es ist besser, ich nehme ein Fungizid, das biologisch abbaubar ist. Synthetisches Fungizid ist biologisch abbaubar, genau wie Waschmittel. Da gibts schon giftigere und weniger giftige, aber man muss schon sagen, dass die Industrie nach dem Super-GAU in den 70er und 80er Jahren ihre Hausaufgaben gemacht hat. Es gibt bspw. Fungizide, die sind aus Waldpilzen isoliert. Da hat irgendwann mal ein Wissenschaftler einen Pilz im Wald entdeckt und sich gefragt: ‚komisch, warum wächst da kein anderer Pilz drumherum?‘ und dann herausgefunden, dass der Pilz eine Substanz ausscheidet, die ihm da Platz macht – das ist ein Super-Fungizid.
Weinwonne: Und sowas ist nicht Bio?
Martin Tesch: Nein, diese Substanz kannst du ja nicht aus dem Waldboden rausziehen. Da sitzt dann ein Chemiker, der sich anschaut, wie dieses Molekül aussieht und dann baut der das nach. So, und dieses Zeug hat die Toxozität von Persil oder Haarshampoo. du solltest das nicht unbedingt trinken, aber es ist auch nicht schlimm. Das baut sich ab und wenn es 2 Jahre dauert, bis es nicht mehr nachweisbar ist. Kupfer baut sich nicht ab, nie! Wir setzen auch Kupfer ein, aber nur als Notbremse. Jeder Zug hat ne Notbremse, aber wenn du den Zug mit der Notbremse steuerst, dann machst du was falsch. Und das mag ich nicht so gern, wenn die Leute dann sagen, ‚Wir sind die Guten‘ – und eigentlich müsste man sagen ‚Hey, hört auf mit dem Scheiß!‘.
Weinwonne: Und wie trocken sind deine anderen Rieslinge?
Martin Tesch: Der Riesling unplugged ist ganz klar der trockenste vom Weingut Tesch. Die Lagenweine liegen bei etwa 5 Gramm Restzucker. Die Lagen werden oft gereift, es gibt Leute, die legen die sich hin. Beim Riesling unplugged machen das wenige Leute. Und wir haben gelernt, dass die Lagen besser altern, wenn sie etwas Speck auf den Rippen haben. Jeder Wein wird mit der Zeit trockener vom Geschmackseindruck bzw. verliert sich der süße Eindruck. 4 bis 5 Gramm ist eine gute Startposition, wenn man höher startet, werden die zu kitschig.
Weinwonne: Gibst du auch die Empfehlung, die Lagenweine 2 bis 3 Jahre liegen zu lassen?
Martin Tesch: Ne, kannste knicken. Die Hauptlagerzeit für Weine in Verbaucherhand sind 3 Stunden… (lacht) Ich habe wenige gute Sätze in meinem Leben über Wein gehört, aber ein guter Satz ist: ‚Guter Wein ist immer gut!‘ Also gut, wenn er jung ist, gut, wenn er mittelalt und eigentlich trinkreif ist und wenn man vergessen hat ihn zu trinken und dann öffnet, ist er immer noch gut. Mir haben schon viele Leute Wein verkauft, die erzählt haben ‚Jetzt kannste den noch nicht trinken, aber wart mal 5 Jahre, dann ist das der Kracher‘…das hat nie funktioniert, also bei mir jedenfalls nicht. Wenn dich bei einem jungen Wein etwas stört, dann stört dich das nach 5 Jahren immer noch, der dreht sich nicht komplett um. Guter Wein ist immer gut – das ist jetzt kein Dogma, aber für mich stimmt das.
Weinwonne: Nochmal anknüpfend an das Musikthema: du wurdest als Jugendlicher u.a. durch Punkrock sozialisiert – war das für dich ein natürlicher Weg, Winzer zu werden und das Weingut Tesch weiterführen?
Martin Tesch: Nein, überhaupt nicht…ich bin mit 15 von zu Hause weggegangen, abgehauen: ‚Tschüss, schönen Gruß, ich werd alles, nur kein Winzer!‘ Dann bin ich hier weg. Mich hat immer interessiert, was lebt. Nach dem klassischen Biologiestudium wurde ich Mikrobiologe. Mikrobiologie, Biochemie, Fermentation, das fasziniert mich noch heute – Fermentation: super! (lacht) du hast einen Most, also süßen Saft, und dann kommt etwas dabei heraus, wovon du dann lustig wirst und dolle Ideen hast… dafür haben die früher Götter erfunden: Dionysus, Bacchus. Oder du hast irgendeine Fleischbrühe und machst Penicilin. Oder du machst aus Milch Käse. Fermentation ist super! Das habe ich gemacht, bis ich Ende 20 war: alles fermentiert, Vitamine, Aminosäuren, Milchprodukte, Antibiotika… (lacht) Dann mit Ende 20 kam für mich und meine Frau die Frage auf, was mit diesem Weingut hier passieren soll und ich habe gesagt: okay, das traue ich mir zu. Aber wir wussten nicht, wie dick das Brett ist. Wir haben einfach angefangen zu bohren – und aus kleinen Erfolgen gelernt.
Dann haben wir auch endlich die Lagenweine probiert – die „Oberklasse“. Die 5 Lagen von Martin liegen in den Gemarkungen Langenlonsheim und Laubenheim. Das spannende: Die Rieslinge aller Lagen werden technisch identisch hergestellt, es gibt also keinerlei Qualitätsunterschiede – „der Unterschied ist Natur“ wie Martin sagt. Es sei ein großes Glück, so viele unterschiedliche Böden in einem kleinen Umkreis zu haben.
Am Ende gabs noch zwei gereifte Lagenweine: St. Remigiusberg und Karthäuser (2011). Sehr interessant zu sehen, wie die sich entwickeln, im direkten Vergleich. Sehr speziell, deutlich veränderter Charakter: die Frucht tritt deutlich hinter das Mineralische zurück, bei mittlerer Säure.
Kein Wein dabei, der uns nicht geschmeckt hat. Unsere persönlichen Favoriten vom Weingut Tesch waren der Löhrer Berg und der Karthäuser, die beide einen super Trinkfluss haben und natürlich der Riesling unplugged! Wer gerne Riesling trinkt und den Einfluss des Bodens auf den Weingeschmack auf deutliche Weise erleben möchte, sollte die Rieslinge vom Weingut Tesch mal antesten, lohnt sich wirklich!
Folge deinem Geschmack!
Auf die Frage, welche Lage denn seine liebste sei, antwortete Martin, dass er sie alle gleichermaßen trinke. „Es ist ein Stück Natur, es wächst hier – das ist es. Da kannst du dann alles mögliche draufschreiben: Grand Cru, Formel 1, Großes Gewächs… der Berg bleibt immer gleich. Viele Dinge werden eben erfunden, um etwas hervorzuheben. Aber jeder Mensch kann sagen: der schmeckt mir besser als der – das ist es, dann hat er alles kapiert!“ Wenn man seinem Geschmack folge, sei alles wesentliche erledigt… „mehr ist überhaupt nicht drin in diesem Spiel.“
Schöner Abschlusssatz von Martin: „Wine is just a drink! Es ist nicht Religion, es ist kein Sex, es ist kein Bodybuilding… it’s just a drink!“ Aber ein sehr schöner… Und Martin liebt es, ihn zu machen.
Wer mehr über das Weingut Tesch aus Langenlonsheim an der Nahe erfahren möchte – hier gehts zur Webseite!