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Spezielle Weingläser für jeden Wein? Alles Quatsch …

Würden wir uns als bekennende Weindilettanten freilich auch niemals erlauben. Gibt aber Leute, die das behaupten… zu Recht? Als ambitionierte Hobbyweintrinker verfolgen wir natürlich interessiert und manchmal auch etwas amüsiert das Tun und Lassen, das Proklamieren und Verfassen der Weinbranche bzw. der darin tätigen “Sachverständigen”. Zu den gern- und vieldiskutierten Do’s and Don’ts gehören auch die Weingläser.

Nachdem während des Studiums bzw. der Ausbildungszeit, wie es alle normalen Menschen tun, aus ausgespülten Senfgläsern getrunken wurde, verfügen arrivierte Persönlichkeiten klassischerweise über 3 Typen von Gläsern:

  • Das hohe, dickbäuchige Rotweinglas,
  • das etwas grazilere Weißweinglas sowie
  • die Sektflöte.

Sollte eigentlich reichen, könnte man meinen. Aber dem ist natürlich nicht so: Die Ansicht, dass das Aroma bestimmter Rebsorten in je eigenen, ganz speziellen Weingläsern besonders gut zur Geltung kommt, ist unter tatsächlichen wie selbsternannten Weinexpert*innen ja durchaus verbreitet. Im Umkehrschluss bedeutet das freilich, dass sich das “falsche” Glas genussmindernd auswirkt bzw. Potenzial verschenkt.

So soll bspw. ein leichter Riesling aus einem schmalen Weinglas getrunken werden, da sich nur so die Nase an einem gleichmäßig entfalteten Duft erfreuen kann. Oder der Spätburgunder, der keinesfalls aus einem Bordeaux-Glas getrunken werden dürfe, da er in dem bauchigen, gen Öffnung schmaler werdenden Weinglas “wie eingesperrt” schmecke. Oookay. Ein weiteres Argument pro Weinglasvielfalt: Die Glasform beeinflusse das Ausfließen des Weines, das spezielle Weinglas leite den genau dafür vorgesehenen Wein zielsicher auf die für die optimale Aromaaufnahme geeignete Geschmacksregion der Zunge, deren Geschmacksknospen man bei dieser Beschreibung schon jauchzen hört. Dieses Argument – ihr ahnt es schon – ist mittlerweile widerlegt und taugt höchstens noch als PR-Gag. Denn eine Geschmacksknospe auf der Zunge besteht i.d.R. aus zahlreichen Rezeptorzellen, die unterschiedlichste Geschmacksrichtungen wahrnehmen können (früher dachte man, dass es spezielle “Geschmacksregionen” gebe).

Weingläser riechen gut…

Nun ist es recht unstrittig, dass das Weinglas bzw. seine Form einen wesentlichen Einfluss auf die Entfaltung des Duftes oder Weingeruches hat – was ja integraler Bestandteil des durchritualisierten Weingenusses ist. Nicht umsonst, schließlich ist das erwartungsfrohe Erschnuppern des Weines vor dem ersten Schluck ein spannender und häufig an sich schon berauschender Akt! Aber müssen wirklich für jede Rebsorte eigene Weingläser in der glänzenden Vitrine stehen? “Mumpitz” nennt das bspw. der Max-Planck-Physiker Thomas Vilgis, der sich auch als Kochbuch-Autor betätigt, in einem FAZ-Artikel. Es gebe kaum Studien, die das bestätigten.

Aber eine Dresdner Studie des Mediziners Thomas Hummel hat sich tatsächlich mal des Themas Wein und Glas angenommen: Die 200 Studienteilnehmer*innen sollten für Rot- und Weißweine ihre Geruchsempfindungen bzw. deren Intensität beschreiben.

Dafür bekamen sie den Wein in verschiedenförmigen Weingläsern vor die Nase gestellt. Das Ergebnis war eindeutig: Unabhängig von der Rebsorte wurde mehrheitlich der Weingeruch in einem kolbenförmigen Glas (also einem dickbäuchigen, sich nach oben verjüngenden Weinglas) als intensiver ausgemacht. Diese Erkenntnis können die meisten Weintrinker*innen aus der Praxis wohl bestätigen. Studienleiter Hummel weist aber darauf hin, dass möglichst intensiver Geruch nicht zwingend für die beste Eignung stehe. Zudem ermöglichen Weingläser mit breiten Öffnungen, dass sich evtl. vorhandene, unangenehme flüchtige Duftnoten schneller aus dem Staub machen und daher aromatechnisch nicht so sehr ins Gewicht fallen.

Trägt das gerade beschriebene Beispiel nun zur Klärung der Kontroverse bei? Eigentlich nicht. Aber vielleicht tut das der bereits erwähnte Physiker Vilgis: Auch er bestreitet nicht, dass das Weinglas Einfluss auf das Bouquet ausübt – verweist aber darauf, dass der Wein, wenn er das Glas verlassen hat und im Mund seinen Aromen entfaltet, stets gleich schmecken, egal aus welcher Glasform er kommt – siehe obiges Geschmacksknospenbeispiel. Die Dresdner Studie hat das übrigens auch bestätigt: Zwar gebe es Unterschiede in der Sinneswahrnehmung, wenn man sehr unterschiedliche Gläser vergleichend nutze. Sobald es um den Geschmack gehe, spiele die Art des Weinglases aber keine Rolle mehr. Dies gelte erst recht für Weinlaien. Und abgesehen davon: Es gebe zig situative Faktoren, die den Weingeschmack beeinflussen…

Also alles nur Geschäftemacherei? Aber viele Leute lassen sich, was dieses Thema angeht, bestimmt auch gerne das Geld aus der Tasche ziehen, entschädigt sie doch sicher der positive psychologische Effekt…oder was meint Ihr?

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Bildernachweis: pixabay.com