Weingrüße aus China: Xiao Hong Mao über einen typischen chinesischen Weinwettbewerb…

Ein Gastbeitrag von Jörg Philipp. Folgender Bericht wurde vom Wein- und Chinaexperten Jörg Philipp freundlicherweise für Weinwonne verfasst. Jörg, der mit seinem Beratungsunternehmen Degustar regelmäßig in Sachen Wein durch das Reich der Mitte tourt – und dort wegen seiner roten Mütze unter dem Spitznamen Xiao Hong Mao (Little Red Hat) bekannt ist –, weiß Unterhaltsames von chinesischen Weinproben zu berichten…

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Im Falle der Teilnahme an einem Weinwettbewerb für chinesische Weine in China sogar eine Menge. Inzwischen bin ich es gewohnt nach China zu reisen und mich dort in der Geschäftswelt zu bewegen. Sitten und Geschäftsgebaren sind zwar sehr unterschiedlich zu Deutschland, aber mit etwas Erfahrung und einem Übersetzer kann man die schlimmsten Kliffe umschiffen. Dieses Mal wurde ich als Juror für den zweiten chinesischen Weinwettbewerb DWS (Discover, Witness, Savory) eingeladen. Bitte nicht versuchen die englischen Begriffe in China immer zu verstehen. Üblicherweise werden die Wörter einfach übersetzt, ohne den Sinn anzupassen. Führt häufig zu recht amüsanten Wortkombinationen. In China angekommen beginnt chinesische Gastfreundschaft. Diese ist wirklich erstaunlich und man lässt seinen Gast keine Minute allein. Falls jemand mal einen Gast aus China nach Deutschland einlädt, bitte bedenken. Zuerst wird man am Flughafen abgeholt und zum Hotel gefahren. Dort ins Zimmer gebracht und bereits kurze Zeit später gibt es eine Kleinigkeit zu essen, da man vom Reisen schließlich hungrig wird. Das Hotel, welches auch ein Weingut ist, wurde im Stile der Tang-Dynastie erbaut. Alles hat enorme Ausmaße und lässt beim Besucher keinen Wunsch übrig. Nach einem sogenannten „kleinen“ Abendessen, welches für 12 Personen am Tisch 16 verschiedene Speisen hatte, geht es tatsächlich früh ins Bett. Am nächsten Tag ist schließlich Verkosten angesagt.

Morgens wird ein kleines Frühstück gereicht, welches außerhalb der Großstädte nie Kaffee beinhaltet. Schließlich bin ich im Land des Tees. Punkt eins einer jeden Veranstaltung sind Fotos vor einer offiziellen Wand mit Unterschrift. Anschließend jede Menge Fotos mit diesem und jenem Offiziellen, also erstaunlich lang. Endlich im Verkostungsraum angekommen sitzt man an einer enormen Tafel für 30 Personen. Mich erinnert das eher an einen Staatsakt als einen Weinwettbewerb. Aber im traditionellen China sind diese Dinge von großer Bedeutung. Ebenfalls wer genau wo sitzt, da alles abhängig von der Rangstellung ist. Anschließend wird jeder Juror vorgestellt mit Namen, Qualifikationen und wie bedeutend die Person für die Weinbranche ist. Alles das noch vor dem ersten zu verkostenden Wein.

Dann geht es endlich los. Pro Verkostungsrunde und Wein je ein Mitarbeiter. Insgesamt sind am Vorbereiten und Einschenken ca. 15 Personen tätig. Dazu noch erwähnt, dass es insgesamt 200 Weine zu verkosten gab, durch verschiedene Gruppen an einem Tag. Insgesamt lief die Verkostung sehr flott, auch wenn deutlich zu sehen war, dass das Servicepersonal noch nie Wein eingeschenkt hatte. Dieses zurückhaltende, unsichere Einschenken ist weit verbreitet in chinesischen Restaurants. Ohne jetzt ins Detail zu gehen, waren die Weißweine fruchtig und frisch sowie unkompliziert. Die Rotweine sind sehr häufig hart und zu alt. Leider ist ein alter Wein gleich ein guter Wein in vielen Köpfen. Daraus resultiert eine lange Lagerung von Rotweinen im Weingut, bevor diese verkauft werden, ohne tatsächlich Erfahrungswerte zu haben.

Nachdem der offizielle Teil vorüber war, ging es ans Feiern. Und Menschen aus der Region Shandong in China wissen wie das geht. Von der Regionalregierung wird zuerst ein offizielles Abendessen zum Anlass der Weinmesse ausgetragen und alle Juroren eingeladen. Insgesamt kommen schnell 300 bis 400 Personen bei so einem Event zusammen. Beim Abendessen werden alle erdenklichen Produkte aus dem Meer präsentiert. Yantai liegt am Meer und hat eine wunderschöne Strandpromenade. Gesangseinlagen und traditionelle Theateraufführungen gehören ebenso dazu, wie die Tombola einer regionalen Firma. Die Tombola läuft nur über das Handy und soziales Netzwerk. Natürlich fließen Unmengen Wein und andere Getränke. Solche Abendessen sind nie länger als 2,5 Stunden. Danach leert sich der Raum schlagartig. Da die offiziellen Organisatoren des Weinwettbewerbs nun ihren Teil erledigt haben, wird ordentlich weitergefeiert. Zuerst Grillen am Strand mit jeder Menge Alkohol und lautem Gelächter. Laut ist ein wichtiger Teil beim gemütlichen Beisammensein. Hat vermutlich auch mit nachlassender Wahrnehmung bei zunehmendem Alkohol zu tun. Jetzt könnte der ungeübte Chinareisende meinen, das war jetzt aber genug Alkohol und feiern. Weit gefehlt, da der wichtigste Teil noch ansteht. Karaoke – in China KTV genannt. Alle Mann in ein Separee, das locker 50 Personen Platz bietet mit zwei Podesten, auf denen 50er Jahre Mikrofone angebracht sind und einem überdimensionalen Bildschirm. Hier werden nun die tatsächlichen Geschäftskontakte geknüpft. Man ist ausgelassen und schaut mal, was der Gegenüber so verträgt. Unter den Tisch trinken ist ein üblicher Sport beim ersten Anbandeln eines Geschäftskontaktes. Nach diversen Liedern, und d.h. jeder muss singen, egal wie gut oder schlecht, und noch mehr Bier und Alkohol, wird der Weg ins Hotel angetreten.

Für mich ist das dann auch der Punkt, an dem ich weiß, uff geschafft. Die nächsten Tage war der Besuch von Weingütern an der Reihe, aber das an einer anderen Stelle.

Alle Bilder: Jörg Philipp/Degustar

Degustar ist ein Beratungs- und Schulungsunternehmen in der Weinbranche, das sich auf den asiatischen Raum spezialisiert hat. Aktuell ist der Tätigkeitsschwerpunkt von Degustar PR und Eventmarketing für Weingüter und Weinverbände in China. Mit seinen Erfahrungen und breit gefächerten chinesischen Kontakten unterstützt Degustar seine Kund*innen, sich auf den chinesischen Markt vorzubereiten und dort Fuß zu fassen. Gründer und Inhaber Jörg Philipp, ausgebildeter Weinfachberater IHK, ist seit 15 Jahren in der Weinbranche tätig und hat dabei sämtliche Stationen durchlaufen: Weinhandlung, Weinimport, Weinberatung, Export Weingüter und Schulungen.

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