Weinbau in Ningxia: eine Oase in der Wüste

Eine Reise in die aktuell bekannteste chinesische Weinbauregion – Teil 1

Ein Gastbeitrag von Jörg Philipp

Wir starten in Shanghai mit drei Stunden Verspätung. Auf den ersten Blick mag das extrem sein, aber nach meiner Erfahrung in China liegt das eher im Durchschnittsbereich. Falls jetzt die ersten Fragen nach Passagierrechten auftauchen, ist die häufigste Ursache ein überfüllter Luftraum. Wenn man sich ein wenig mit China auseinandersetzt und Regierungsform, sowie andere Aspekte beleuchtet, hat das Militär die Lufthoheit in allen Bereichen. Übungen der Luftwaffe bringen automatisch Verspätungen mit sich oder ggf. zivile Luftfahrt zum Erliegen. Vor vier Tagen bin ich nach Liuzhou geflogen (Provinz Guangxi, an der Grenze zu Vietnam). Beim Aufsetzten des Fliegers sind alle Flugbegleiter aufgesprungen und haben die Passagiere lautstark aufgefordert die Sonnenblenden zu schließen. Bisher kannte ich nur den Hinweis alle Sonnenblenden auf beim letzten Kontrollgang des Personals. Der Flughafen Liuzhou hat die Besonderheit, dass die Maschinen direkt vor der Abfertigungshalle parken und man vom Flugzeug selbst über das Flugfeld zum Terminal läuft. Dabei sind startende und landende Düsenjäger weder zu übersehen, noch zu überhören.

Beim Flug nach Yinchuan/Ningxia gab es eine Zwischenlandung auf dem Flughafen Linfen (Provinz Shanxi) mit 6 Fingern. Unbedingt danach im Netz suchen: die Stadt mit dem Toiletten-Fetisch. Jede Menge Designer-Stille-Örtchen in der Stadt und alle dokumentiert. Selbst im Flughafen waren die Toiletten sehr modern und speziell gehalten. Wieso Zwischenstopps bei solchen Flügen? Weder Linfen noch Yinchuan sind der Nabel der Welt. Ist ein wenig wie Busfahren mit verschiedenen Haltestellen. Beim Anflug auf Yinchuan tauchen erste Fragen zum Weinbau in Ningxia auf. Durch das Fenster im Flieger sehe ich nur Wüste, Wüste und Wüste. Wo zur Hölle soll hier Wein angebaut werden? Wie auf Lanzarote in Erdlöchern? Plötzlich ein Fluss (Gelber Fluss), eine Straße und im Anschluss sattes Grün soweit das Auge reicht. Verstehe, der Gelbe Fluss ist die Lebensquelle. Ningxia ist eine Oase in der Wüste! Ohne Bewässerung aus dem Gelben Fluss wächst nichts.

Ningxia Wein
Der Gelbe Fluss: die Lebensader in Ningxia und die Wasserquelle für den Weinbau in Ningxia

Am Flughafen geht die typische chinesische Organisation los. Anfängliche Information ist, wir warten und werden abgeholt. Anschließend heißt es, wir gehen jetzt und nehmen ein Taxi. Nächste Information es kommt noch ein weiterer Besuch, der in den nächsten Minuten landet. Tatsächlich landet die weitere Person innerhalb von 15 Minuten aus Peking und es heißt, wir nehmen jetzt ein Taxi. Verhandlungen am Flughafen mit dem Taxifahrer, weil keiner gerne das Taxameter benutzt, wenn er eine lukrative Fahrt ins Stadtzentrum wittert. Preis ist verhandelt und es geht endlich los. In Ningxia herrscht traumhaft warmes, trockenes Wetter. Nach der schwülen Hitze in Shanghai eine Erlösung. Neu konzipierte Städte oder Stadtteile in China entstehen am Reißbrett. Der Flughafen ist neu und liegt am Rande der Stadt. Eine ewig lange gerade Straße führt ins Zentrum und wir erleben ihren vollen Verlauf.

Meine vielen Fragen beantwortet der Fahrer gerne und ausführlich, wobei er jedes Mal langsamer fahren muss, damit der ausladend beschreiben kann: Regen August bis Oktober. Mücken nur nachts; diese kleinen Biester sind ein Dorn in meinen Chinabesuchen. Mein Rekord liegt bei 96 Stichen an beiden Armen in einer Nacht! Ethnische Minderheiten mit muslimischem Glauben. Und jeder hat einen Freund der Wein macht oder Trauben anbaut. Wir fahren erst Mal nicht ins Hotel, sondern zum Abendessen eines Weinguts. Super, bin sowieso durstig. Am Restaurant angekommen sind wir umgeben von kleinen Ständen am Straßenrand, Aromen nach Gegrilltem, Gewürzen, Rauch, Stimmengewirr, das wäre jetzt fantastisch. Doch die Realität bringt mich in ein Restaurant, ein separates Zimmer mit rundem Tisch und bereits satten Gästen. Dafür gibt noch jede Menge zu essen. Anstoßen auf die Gesundheit, Geschichten von früher, noch mehr anstoßen auf das Glück. Das pure China.

Wein Ningxia

Zu vorgeschrittener Zeit geht es zum Hotel. Teilweise haben die Reservierungen geklappt, bei manchen auch nicht, deshalb ist erst Mal umbuchen, neu buchen, Reisepass kopieren und Sicherheit hinterlegen angesagt. Irgendwann ist man endlich auf dem Zimmer. Es ist 0:30 und ich brauche erst einmal eine Dusche. Morgen früh treffen wir uns um 7:30 Uhr zur Weiterfahrt in die Weingüter. Nun gibt es kein Warmwasser, dieses wird durch einen Boiler mit Strom im Zimmer produziert. Strom gibt es allerdings nur, wenn die Zimmerkarte steckt, da auch der Boiler an diesem Stromkreis hängt. Eines habe ich mir schnell in China abgewöhnt: in solchen Fällen Fragen nach dem Sinn stellen. Am besten einfach als gegeben hinnehmen. Jetzt erst mal schlafen und morgen ist ein neuer Tag! Und hoffentlich mit warmem Wasser.

Hier geht’s zu Teil 2…

Dieser Reisebericht wurde vom Wein- und Chinaexperten Jörg Philipp verfasst, der sich im Reich der Mitte wegen seiner roten Mütze den Spitznamen Xiao Hong Mao (Little Red Hat) erworben hat. Im bald erscheinenden Teil 2 bringt uns Jörg den Wein aus Ningxia näher – natürlich gespickt mit interessanten und lustigen Begebenheiten.

Mit seiner Firma Degustar, einem auf die Weinbranche spezialisierten Beratungs- und Schulungsunternehmen, hat sich Jörg auf den asiatischen Raum und v.a. Wein aus China spezialisiert. Mehr Infos gibts hier.