In Großbritannien wird bekanntlich gerne Wein getrunken – aber angebaut? Ne… Doch! Und zwar immer mehr: Jüngst ging eine Meldung durch den Äther, dass der Weinbau in England bzw. Großbritannien stetig wächst, wenn auch immer noch auf geringem Niveau, verglichen mit den klassischen Weinbauländern. Tja, für die einen ist es die Klimakatastrophe, für die anderen ein Klimawandel.
Mittlerweile soll es auf der Insel eine Rebfläche von rund 2.000 Hektar geben, was so viel wie noch nie und eine Flächenverdoppelung in den letzten sieben Jahren bedeutet. Im vergangenen Jahr soll das Ernteergebnis von 2013 um stolze 41 Prozent übertroffen worden sein. 47.433 hl Wein wurden produziert – vornehmlich aus weißen Rebsorten…den hard facts widmen wir uns weiter unten im Text.
Weinbau in England: Schaumwein-Erzeugung dominiert
Grund genug, uns mal den Weinbau in England genauer anzuschauen: Nach Angaben des Verbandes English Wine Producers gab es 2014 in Großbritannien 135 Weingüter bzw. Weinbaubetriebe, die insgesamt 470 Weinberge bewirtschafteten. Die sitzen natürlich nicht in Schottland, sondern v.a. in den südlichen Küstenregionen wie Südengland und Wales sowie den Kanalinseln. Daraus sollte man aber nicht ableiten, dass es im Norden der Insel überhaupt keinen Weinbau gibt – tatsächlich liegt der nördlichste Weinberg – der Yorkshire Heart Vineyard – in der Nähe der doch ziemlich nördlich gelegenen Stadt York.
Besonders die Schaumwein-Erzeugung ist im Kommen. Die English Wine Producers beziffern den Anteil der Wein-Erntemenge, der für Sekt & Co draufgeht, auf rund zwei Drittel (66 Prozent). Weiterhin entfallen demnach 24 Prozent auf die Herstellung von Weißweinen und aus immerhin 10 Prozent werden Rotweine und Rosés gemacht. Die verbreitetsten Rebsorten sind Chardonnay, Spätburgunder und Schwarzriesling, rund 50 Prozent der Anbaufläche soll mit diesen drei Sorten bestockt sein. Diese drei Rebsorten sind es auch, die vornehmlich zur Schaumwein-Produktion genutzt werden.
Leute, die sich auskennen (also nicht wir), behaupten, dass Sekt aus Groß-Britannien etwas richtig Feines sein kann. Tatsächlich haben englische Sekte in den letzten 15 Jahren 8 Auszeichnungen als Beste Internationale Schaumweine erhalten, 4 Mal gab es Preise für den besten Rosé-Sekt – entsprechend stolz verkündet der Verband English Wine Producers, dass diese Fülle an Auszeichnungen im Bereich Schaumwein kein anderes Land vorweisen könne. Gemeint ist hier wohl v.a. Frankreich, dessen Champagner nach wie vor als edelste Variante gilt. Viele englische Sekthersteller*innen arbeiten auch nach der Champagner-Methode. Angeblich soll der Champagner auch Mitte des 17. Jahrhunderts in England erfunden worden sein. Tatsächlich liegen zwischen den Kreidefelsen in Dover und dem französischen Anbaugebiet Champagne nur 130 Kilometer – Böden und Klima sollen recht ähnlich sein. Da unsere Champagner- und feine Sekte aus England-Erfahrung recht übersichtlich ist (bzw. lediglich auf die “kultivierte” Hälfte der Weinwonne-Redaktion entfällt), halten wir uns bei diesem Thema mal bedeckt.
Weinbau in England hat Tradition
Das sich wandelnde Klima sowie die offensichtlich hohe Qualität treiben den Weinbau in England und Groß-Britannien voran. Aber schon früher wurden Reben gepflanzt und Wein hergestellt. Viel früher: Schon die Römer haben Weinberge auf der Insel angelegt – angeblich mit mäßigem Erfolg, da es nie zu einer größeren Ausdehnung kam, obwohl es zu dieser Zeit etwas wärmer gewesen sein soll. Aber auch nicht zu einer kompletten Einstellung. Die English Wine Producers behaupten, dass es Weinamphoren-Funde gibt, die schon vor der Zeit der Römer zu datieren sind. Ob damals aber tatsächlich in Groß-Britannien Weinbau stattgefunden hat, lässt sich aber wohl nicht eindeutig belegen.
Eine wirkliche Wiederbelebung des Weinbaus in England gab es dann im 11. Jahrhundert, angetrieben durch die Normannen, die französische Mönche im Schlepptau hatten, die sich auf Weinbau und Weinherstellung verstanden. Mit dem Ausbruch der Pest im 14. Jahrhundert verlor der englische Wein für die nächsten Jahrhunderte enorm an Bedeutung. Auch wenn es ab dem Ende des 17. Jahrhunderts wieder einige Berichte gibt, kam der Weinbau in England und Großbritannien doch erst wieder im 20. Jahrhundert so richtig ins Rollen. Seit den 1950er Jahren erlebt englischer Wein nun einen, wie es die English Wine Producers nennen: wirtschaftlichen Neubeginn.
Quellen: englishwineproducers.co.uk via wein-inside.de, welt.de
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Bob Jones/CC BY-SA 2.0, Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Wine_from_the_United_Kingdom#/media/File:Vineyard_at_Wyken_Hall_-_geograph.org.uk_-_216836.jpg
Thomas er/CC BY-SA 3.0, Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Wine_from_the_United_Kingdom#/media/File:Chapel_Down_Flint_Dry_2008.jpg
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